Als die ersten Schneehasen auf den Färöer Inseln ausgesetzt wurden, trugen alle weißes Winterfell. Innerhalb von 60 Jahren auf der schneearmen Inselgruppe ergrauten sie jedoch. Die genetische Anlage für ein dunkleres Winterfell holten sich ihre Vorfahren vor tausenden Jahren bei einer Affäre mit iberischen Verwandten, so ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal "Pnas".

Ein Team um Jose Melo-Ferreira von der Universität Porto (Portugal) verglich das Erbgut von Schneehasen (Lepus timidus) aus Skandinavien, den Alpen und von den Färöer Inseln. Sie wollten wissen, welches Gen das Fell der Tiere auf den Färöern grau macht, während es bei ihren Artgenossen im österreichischen Gebirge und auf dem Festland Nordeuropas zur Winterzeit in der Regel schneeweiß wird. An der Studie war auch Klaus Hackländer vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien beteiligt.

Auf den Färöer Inseln gab es ursprünglich keine Schneehasen. Im August 1855 setzte aber jemand vier Jungtiere aus Norwegen dort aus - und sie vermehrten sich dort wie die Karnickel. Zunächst waren so wie in ihrer alten Heimat alle Färöer-Schneehasen im Winter weiß, doch schon nach ein paar Jahren sahen die Jäger dort die ersten wintergrauen Exemplare, 1870 machten sie die Hälfte aus, 1882 drei Vierteln und 1890 waren die schneeweißen Schneehasen mit fünf Prozent nur mehr eine kleine Minderheit. Im Winter 1916/17 wurde der letzte von ihnen geschossen. In gut 60 Jahren hatte sich die Schneehasen-Population also vollständig daran angepasst, dass ein weißes Fell auf den vom warmen Nordatlantikstrom beeinflussten Inseln im Winter mehr auffällt als ein felsgraues.

Die Forscher fanden heraus, dass die Steuerungsregion vor dem "Agouti"-Gen bei den Färöer-Hasen anders ist als bei den alpinen und skandinavischen. Es ist bekannt, dass es bei verschiedenen Säugetieren die Verteilung schwarzer Pigmente regelt. Die Färöer Agouti Variante, die das Fell grau färbt, ruht quasi als "Schläfer" auf dem Erbgut (Genom), wenn die Tiere auch die weiß machende Agouti Variante tragen (d.h. das Gen ist rezessiv). Mindestens eines der ehemals eingeschleppten Häschen hatte laut Analysen der Forscher schon die wintergrau-Agouti Variante, nur kam sie eben wegen der Dominanz der scheeweiß-Agouti Variante nicht zum Ausdruck. Dasselbe gelte für die Alpen- und Festlandbewohner unter den Schneehasen. Bei ihnen gibt es nur sehr selten graue Exemplare. Diese nahmen jedoch bei den Färöer Langohren überhand, weil sie im Winter besser getarnt waren, bis die weiße Agouti Variante dort verloren ging.

Außerdem machten sich die Forscher bei anderen Hasenarten auf dem ganzen Kontinent auf die Suche nach der Färöer Agouti Variante und sie wurden beim Iberischen Hasen (Lepus granatensis) fündig. Demnach haben sich die Schneehasen diese von den iberischen Verwandten durch Hybridisierung einverleibt, sprich eine Vermischung der beiden Arten durch außerartlich gezeugte Nachkommen. "Obwohl die beiden Arten (aus geografischen Gründen) derzeit keinen Kontakt pflegen können, war der genetische Austausch während nach-eiszeitlichem Kontakt in Südeuropa möglich", schrieben die Wissenschafter im Fachartikel. Sprich: Bei einem Ausflug der nördlichen Art in südliche Gefilde gab es eine Affäre zwischen den zugereisten Schneehasen und den ansässigen iberischen Nagern.

Ähnliche Fälle

Ähnliches passierte bei den Schneeschuhhasen (Lepus americanus). Bei ihnen gibt es seit noch nicht allzu langer Zeit winterbraune statt winterweiße Typen. Auch dort ist eine andere Agouti Variante für die Anpassung an winterbraune statt winterweiße Landschaften zuständig. Die Schneeschuhhasen haben sie durch Techtelmechtel von ihren Nachbarn, den Eselhasen (Lepus californicus) erworben.