Gut 70 Dezibel am Schlafzimmerfenster: Ist das zu laut zum Schlafen - und kommt der Lärm wirklich von den Kuhglocken? Ein Ehepaar im oberbayerischen Holzkirchen fühlt sich um den Schlaf gebracht. Es hat die Lautstärke gemessen und kämpft seit Jahren gerichtlich um ein Ende des Gebimmels auf der nachbarlichen Weide.

"Augen- und Ohrenschein"

Am Mittwoch trafen sich die Bäuerin der bimmelnden Kühe, der Anwalt des Paares und Vertreter der Gemeinde in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht München (OLG). Das brachte eine neue Variante ins Spiel: Wenn sich die Parteien nicht einigen könnten, müsse man womöglich die Sache selbst in "Augen- und Ohrenschein" nehmen, sagte der Vorsitzende Richter Johannes Nagorsen. Da es um die Nachtruhe gehe, würde es darauf hinauslaufen, "dass wir mit oder ohne Sachverständigen dort ein Nacht verbringen." Das Ehepaar wurde die Übernachtung auf jeden Fall möglich machen, sagte dessen Anwalt Peter Hartherz später. Schließlich wünschen sich die beiden endlich Ruhe.

Erst einmal suchte das Gericht nach Kompromissen. Ob es möglich sei, mit einer Kuhglocke auszukommen, warum es in einer umzäunten Weide überhaupt Glocken brauche - und was die Bäuerin Regina Killer von einer Entschädigung halte? Der Kläger habe klar gemacht, dass er sich großzügig zeigen würde, sagte Nagorsen. Das könne sich "für eine Bäuerin lohnen". Doch die lehnte ab. "Ich bin nicht bestechlich." Die Weide sei die beste die sie habe; Bäume böten Schutz für ihre Tiere.

Auch Vertreter der Gemeinde äußerten sich skeptisch, mit einer Entschädigung eine Einstellung der Weidehaltung zu erreichen. Die Gemeinde - ebenfalls beklagt, weil sie das Grundstück an die Bäuerin verpachtete - stütze die Landwirtschaft.

Der Streit schwelt seit Jahren. Das Paar fühlt sich auch von Fliegen gestört, die um die Kühe und von dort auf ihr idyllisches Anwesen schwirren, und vom Ausbringen von Gülle. Nachdem erst der Mann und dann seine Frau in getrennten Prozessen vor dem Landgericht München II gescheitert waren, zog nun der Mann vor das OLG. Beide waren in erster Instanz vor allem wegen eines vom Ehemann 2015 mit der Bäuerin geschlossenen Vergleichs gescheitert. Demnach dürfen nur im entfernteren Teil der Wiese mit gut 20 Meter Abstand Kühe mit Glocke grasen. Dem Ehepaar war es aber weiter zu laut.

Das OLG muss nun prüfen, ob der Vergleich den Kläger weiter bindet oder ob der Vergleich ergänzt werden kann. Etwa sei nicht festgelegt, wie laut das Gebimmel sein darf. Es gebe "keinen absoluten Kulturschutz für Kuhglocken im Oberland", erläuterte das Gericht. Mit ihrer Klage gegen die Insekten und die Gülle machte Nagorsen den Ehepaar keine Hoffnung. Das Ausbringen von Gülle sei ortsüblich, die zeitweise Geruchsbelästigung "muss man halt einfach hinnehmen" - und bei den Insekten sei kaum nachprüfbar, ob sie von den Kühen kämen.

Die beste Lösung wäre für seinen Mandanten, wenn auf der Wiese keine Kühe mehr grasen würden, sagte Hartherz. Dafür würde er hinnehmen, dass öfter Gülle ausgebracht werde. Am Rande des Prozesse nochmals das Angebot: "Er würde sehr viel wirtschaftlich in die Waagschale werfen, wenn er seine Ruhe hätte."