Die kleine Mittelmeerinsel Zypern befindet sich geografisch gesehen schon in Asien, trotzdem ist die Republik Zypern Mitglied der EU - und zwar eigentlich die ganze Insel nach völkerrechtlich anerkanntem Territorium. Eigentlich. Denn 1974 kam es zur Teilung der Insel mit der türkischen Besetzung im Norden. Am 15. November 1983 fand schließlich die Proklamation der – international nicht anerkannten – Türkischen Republik Nordzypern statt. Nun gibt es wieder Aufregung im Zypern-Konflikt. 

Die einstige Touristenhochburg Varosha ist heute eingezäunt und das Betreten verboten.
Die einstige Touristenhochburg Varosha ist heute eingezäunt und das Betreten verboten. © (c) AFP (IAKOVOS HATZISTAVROU)

Nun kündigte Nordzyperns Präsident Ersin Tatar an, den Status als militärisches Sperrgebiet aufzuheben. Was den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan freut (er sprach von einer "neuen Ära" der heutigen Geisterstadt), empört die Republik Zypern sowie den Rest der Welt. Die anspruchsberechtigten ehemaligen Besitzer könnten, so Tatar, die Rückgabe ihrer Immobilien beantragen. Die Krux bei der Sache? Die griechischen Zyprer würden so die Türkische Republik Nordzypern de facto anerkennen und dort sogar unter deren Verwaltung leben müssen. Für den Großteil ein persönliches Dilemma.

Aber auch international stellt der Vorstoß des türkischen Lagers, der ausgerechnet am Jahrestag der Teilung der Insel erfolgte, eine Provokation dar: "Die Vereinigten Staaten betrachten das Vorgehen der türkischen Zyprer in Varosha mit Unterstützung der Türkei als provokativ, inakzeptabel und unvereinbar mit ihren früheren Verpflichtungen, sich konstruktiv an Gesprächen zur Beilegung des Konflikts zu beteiligen", hieß es am Dienstagabend in einer Mitteilung von US-Außenminister Antony Blinken. Auch Österreich sprang der zyprischen Regierung zur Seite. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat am Mittwoch die geplante weitere Öffnung Varoshas als "absolut inakzeptabel" verurteilt. 

Der Besuch des türkischen Präsidenten auf der Insel wurde von Protesten begleitet.
Der Besuch des türkischen Präsidenten auf der Insel wurde von Protesten begleitet. © (c) AP (Petros Karadjias)

Die Regierung in Nikosia will indes sofort beim Weltsicherheitsrat eine außerordentliche Sitzung beantragen. Es brodelt also wieder auf der kleinen Mittelmeerinsel und Erdogan gießt reichlich Öl ins Feuer. Das Ziel der Vereinten Nationen, eine Föderation zweier politisch gleichberechtigter Bundesländer zu bilden, scheitert an Ankara, wo man eine Zweistaatenlösung fordert. Das wiederum lehnt die EU rigoros ab, man werde "nie eine Zweistaatenlösung für das geteilte Zypern akzeptieren", stellte Ursula von der Leyen unlängst klar.

Die letzte geteilte Hauptstadt Europas

Neun Jahre nach der Invasion der Türkei, 1983, wurde im türkisch besetzten Teil die Türkische Republik Nordzypern proklamiert. Rund ein Drittel der Insel ist demnach de facto Staatsgebiet der Republik Zypern und in der Europäischen Union, wobei man hier überhaupt keine Macht ausüben kann. Die Grenze bildet eine Pufferzone, die sogenannte „Green Line“. Sie erstreckt sich über 180 Kilometer durch die gesamte Insel und ist teilweise kilometerbreit.

Die Flagge Nordzyperns findet sich statt auf Fahnen größtenteils auf metallenen Schildern. Denn: Man soll sie auch sehen, wenn der Wind nicht bläst.
Die Flagge Nordzyperns findet sich statt auf Fahnen größtenteils auf metallenen Schildern. Denn: Man soll sie auch sehen, wenn der Wind nicht bläst. © (c) AP (PHILIP MARK)

Rund vier Prozent der gesamten Insel macht diese Pufferzone aus: Niemandsland. Sie zeiht sich auch durch die zyprische Hauptstadt, Nikosia, was sie zur letzten geteilten Hauptstadt Europas macht. Praktisch Teil der Stadtkulisse Nikosias sind mittlerweile auch Hubschraubergeräusche, ausgelöst von den regelmäßig stattfindenden Überwachungsflügen der UN.

Der Zypern-Konflikt ist mit der Ankündigung der Öffnung Varoshas und dem, was sie impliziert, wieder um eine Facette reicher, die Beilegung des Konflikts in weiter Ferne. Auf internationale Organisationen wartet nun viel diplomatische Arbeit.