Mit dem Frühling kommt ein vertrautes Geräusch zurück in viele Gärten. Doch geht es hier weniger um das Summen der Bienen als vielmehr das monotone Surren der Rasenmäher. Simon Demeulemeester kennt das. Der junge Belgier pflegt hinter seinem Haus nahe Gent seinen eigenen Rasen. Aber dort bleibt es im Mai erstmal still. Der Rasen kommt ungeschoren davon. „Wer seinen Rasen nur alle drei bis vier Wochen mäht, statt jede Woche das Gras zu kappen, lockt bis zu zehn Mal mehr Bienen an“, erklärt Demeulemeester im Gespräch und fügt hinzu: „Das ist eine kleine Mühe, die es wert ist.“

Demeulemeester ist einer der Initiatoren von „Maai mei niet“ – frei übersetzt: Mai mäht nicht. In privaten Gärten und öffentlichen Parks in Belgien soll der Rasen stehen bleiben, um Bienen und anderen Insekten mehr Lebensraum zu bieten. „Butterblumen, Gänseblümchen und Löwenzahn sind wahre Nektar-Champions“, so Demeulemeester. Forscher der Universität im britischen Bristol untersuchten zuletzt das Nektarangebot im urbanen Raum. Eines ihrer Ergebnisse: In Städten stammen 85 Prozent der Nektarmenge aus privaten Gärten.

"No Mow May"

Die Idee im Kampf gegen das Bienensterben stammt ursprünglich aus Großbritannien. Dort setzt sich die Bewegung „No Mow May“ – kein Mähen im Mai – seit zwei Jahren für höheres Gras im Garten ein. Demeulemeester und seine Mitstreiter haben die Initiative nun erstmals nach Belgien geholt. Allein in Belgiens nördlicher Region Flandern stellen Gärten und Parks rund zehn Prozent der Oberfläche. „Flandern ist eine der trockensten Regionen Europas, das trifft auch viele Tiere und Pflanzen“, erläutert Demeulemeester. Unter höherem Gras speichert der Boden nicht nur die Feuchtigkeit besser, auch die Artenvielfalt insgesamt wird gestärkt.

Das Mähmoratorium wird nicht nur von Umweltverbänden und Parteien unterstützt. In Belgien, wo vieles gern zerfasert zwischen der niederländischsprachigen Region Flandern im Norden und der frankophone Wallonie im Süden, eint das Umweltprojekt über Sprachgrenzen hinweg. „Wir hören immer nur von Klimakatastrophe und Umweltzerstörung, hier bei unserem Mähstopp kann jeder einen kleinen, effektiven Beitrag für die Bewahrung der Natur leisten – durch Nichtstun“, sagt Demeulemeester.

Bodensonden

Er selbst arbeitet als Journalist beim renommierten belgischen Polit-Magazin „Knack“. Die Zeitschrift unterstützt das Umweltprojekt. Zuvor hatten schon die Kollegen von der Zeitung „De Standaard“ ein Klimaprojekt mit vorangetrieben: 5000 Hobbyforscher messen in ihren Gärten für sechs Monate mit einer kleinen Bodensonde Temperatur, Feuchtigkeit und Sonnenstunden, um dadurch mehr Daten über den Klimawandel zu sammeln. „Wir wollen nicht immer nur Probleme beschreiben, sondern auch Lösungen anbieten“, benennt Journalist Demeulemeester das Motiv. Constructive Journalism – konstruktiver Journalismus – heißt der Ansatz, der ursprünglich aus Dänemark kommt und sich in Belgiens Medien in der Unterstützung vieler Naturschutzprojekte niederschlägt.

Tausende machen mit

Mehrere Tausend Gartenbesitzer haben sich allein in der Region Flandern für die Mai-Mähstopp-Kampagne eingeschrieben. Zum Ende der Aktion gibt’s für die Gartenbesitzer eine kleine Belohnung: Wer Blumen und Blüten auf einem Quadratmeter in seinem Garten zählt und per App an die Initiative schickt, erhält umgehend seinen eigenen Nektar-Score zurück, eine Art Honig-Wert als unmittelbare süße Leistung für den Umweltschutz. „So erhält jeder einen messbaren Beitrag für seinen Einsatz“, erläutert Demeulemeester. Tipps für einen bunteren Garten gibt’s obendrein.

Nach den vier mähfreien Wochen im Mai muss aber noch lange nicht Schluss sein. „Das lässt sich auch im Juni und Juli fortsetzen – zumindest teilweise“, sagt Demeulemeester. Sein Rat an Gartenbesitzer: Dort, wo man häufig unterwegs ist, den Rasen kurz schneiden. An entlegeneren Ecken im Garten kann das Gras höher sprießen, eventuell sogar in verschiedenen Längen. „Das wirkt unglaublich belebend. Der Garten wird so zu einer echten Spielwiese.“ Nicht nur für die Natur. Demeulemeester tollt daheim in Gent auch mit seinem siebenjährigen Sohn durchs hohe Gras. Demeulemeesters Fazit: „Lasst Blumen sprechen: Ein ökologischer Garten muss keine Wildnis sein.“