"Die Zahl der Ankünfte an der Grenze sind enorm gestiegen, im Vergleich zum Mai letzten Jahres verzeichnen wir einen Anstieg von 240 Prozent." Das erklärte Georgios Koumoutsakos, Vize-Minister für Migration in Griechenland, bei der "Vienna Migration Conference (VMC)", die vom Wiener ThinkTank "International Centre for Migration Policy Development" (ICMPD) organisiert wird. Pro Tag kommen laut Koumoutsakos an den griechischen Inseln durchschnittlich 500 Flüchtlinge und Migranten an. "Für die Einwohner ist das eine große Belastung."

Angesichts der weiterhin fehlenden einheitlichen Linie der EU in der Migrationsfrage forderte Koumoutsakos von den Mitgliedsstaaten mehr Solidarität ein. Sollte Griechenland in dieser Frage allein gelassen werden, werde das Land irgendwann "überquellen" - und dann dürfte sich der Ansturm auch auf andere Länder ausweiten und quasi "überschwappen". "Das ist keine Drohung, das ist ein Fakt."

"Offene Einladung an Migranten"

Verärgert zeigte sich Koumoutsakos im Bezug auf das Agieren der Türkei, mit der die EU einen Flüchtlingspakt abgeschlossen hat. Präsident Recep Tayyip Erdoğan drohe immer wieder mit einer "Öffnung der Schleusen", was einen "immensen Pull-Faktor darstellt", erklärt der Vize-Minister. "Das ist eine offene Einladung an Migranten und Flüchtlinge in die EU - aber auch an die Schlepper." Er stelle sich die Frage, warum die Ankunftszahlen seit Sommer wieder steigen - und warum die Türkei bei der Bekämpfung des Schlepperwesens nicht mehr unternimmt. "Denn sie sind das Rückgrat illegaler Migration."

Koumoutsakos hoffe nun auf die neue EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen. Die am 1. Dezember beginnenden Diskussionen über einen neuen Migrationspakt werden "langwierig und anstrengend", um eine Lösung finden zu können, "der endlich alle zustimmen werden". Aber: "Es ist unsere Pflicht, das zu schaffen." Griechenland werde sich in die Diskussion aktiv einbringen. "Es muss eine gemeinsame EU-Politik her, die eine Balance zwischen Solidarität und Verantwortung schafft." Eine Einigung hält Koumoutsakos unter der deutschen Präsidentschaft aber dennoch für realistisch.

"Auswirkung auf gesamte EU"

"Die Herausforderung der Migration ist keine temporäre Geschichte, diese Problemstellung wird uns erhalten blieben." Die Mitgliedstaaten müssen verstehen, dass sich diese Themen auf die ganze EU auswirkt - nicht nur auf Griechenland."

Dass die Lage in Griechenland "heikel" ist, bestätigt auch Ex-ÖVP-Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger, der dem Think Tank vorsteht. "Wenn Griechenland betroffen ist, ist die EU betroffen". Es brauche nun dringend Lösungen, weshalb der Think Tank 70 Vorschläge erarbeitet habe. Doch Spindelegger gab sich abgeklärt. "Ich war lang genug in der Politik, um zu wissen, dass es deutlich leichter ist, Dinge vorzuschlagen, als sie umzusetzen."