Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist ein bedeutender Schritt gegen die immer wieder beängstigenden Hasswellen im Internet. Denn es bringt für Privatpersonen, aber auch für Personen des öffentlichen Lebens, eine effektive Stärkung ihrer Persönlichkeitsrechte. Es ist also ein Fortschritt im Kampf gegen hinterhältige Attacken im Netz. Aber es ist kein pauschaler Komplettschutz, denn die neue Löschungspflicht gilt nur in speziellen Fällen.

Bisher konnten sich Plattformen ("Hosting-Anbieter") wie Facebook auf eine recht bequeme Position zurückziehen: Sie müssen die Inhalte der Nutzer nicht von sich aus systematisch filtern, obwohl sie diese Inhalte verbreiten. Nun stellt der EuGH zusätzliche Pflichten auf:

* Wenn Inhalte für rechtswidrig erklärt werden, müssen sie weltweit gesperrt werden - nicht bloß in jenem Staat, wo die Feststellung der Rechtswidrigkeit erfolgte.

* Nicht nur das betroffene Posting muss entfernt werden, sondern auch wortgleiche Inhalte.

* Umstritten bleibt vermutlich der dritte Punkt: Auch "sinngleiche Inhalte" müssen entfernt bzw. gesperrt werden. Dies aber nur unter sehr engen Auflagen. Wann ist das Posting "sinngleich"? Der gepostete Inhalt muss im Vergleich zu dem für rechtswidrig erklärten Inhalt "im Wesentlichen unverändert" sein. Er muss "Einzelheiten umfassen, die in der Verfügung genau bezeichnet worden sind". Und es muss möglich sein, diese Gleichheit im Wege der elektronischen, automatisierten Überwachung festzustellen.

Was heißt "sinngleich"?

Der unter anderem auf Medien- und Telekommunikationsrecht spezialisierte Verwaltungsgerichtshof-Richter Hans-Peter Lehofer meint in einer ersten Einschätzung: es müsse vom Gericht offenbar eine 'automatisierungstaugliche' Umschreibung des verbotenen Inhalts geben, damit auch eine Pflicht zur Löschung sinngleicher Inhalte eintritt.

Kein Freiwild mehr

Fazit: Man darf sich nicht zu viel erwarten. Aber die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte im Internet geht in die richtige Richtung. Denn es darf nicht sein, dass Menschen in einem so massenhaft verbreiteten Medium zum Freiwild für Bestrafungs- und Beschimpfungsfantasien von geístigen Heckenschützen werden. Plattformen wie Facebook haben diese Möglichkeit geschaffen. Deshalb ist es richtig, ihnen eine intensivere Mitverantwortung für das Treiben der Hassposter zuzuweisen. Dass trotzdem auch künftig nicht jedes Posting "von Hand" gelesen und ausgesiebt werden muss, klingt nach einer vernünftigen Balance. Aber erst in der Praxis wird sich die Tauglichkeit erweisen.