PRO, von Arnold Mettnitzer

Lange hatte ich geglaubt, die Liebe zu einer Frau „aus Liebe zu Gott“ verstecken zu müssen. Das ging eine Zeit lang „gut“, auf Dauer aber, je länger, umso mehr, wurde daraus der Verrat an der Liebe und an mir selbst, gar nicht zu reden davon, was ich in diesen Jahren meiner heutigen Frau zugemutet hatte. Als ich mich endlich dazu aufraffen konnte, meinem Bischof und dem Papst meinen „Verzicht auf den priesterlichen Dienst im Rahmen der kirchlichen Seelsorge“ schriftlich mitzuteilen, hatte mir zuvor mein väterlicher Freund Adolf Holl geraten, es bei einem Dreizeiler zu belassen, weil die Kirche, trotz eines sympathischen Papstes, „kein Gesicht“ habe, vielmehr eine eiskalte Institution bleibe, die niemals das Wohl eines Menschen dem funktionierenden Kirchenrecht vorziehen würde. Trotzdem habe ich dann einen acht Seiten langen Brief geschrieben; nach 12 Monaten kam die Antwort aus Rom: lieblos knapp, aber eindeutig und klar im Sinne des geltenden Kirchenrechts. Seither weiß ich es besser als je zuvor: Niemand darf sich von einer Institution die Antwort auf die drängenden Fragen seines Lebens erwarten; die findet man eher im Blick auf den biblischen Jesus, der weit über das Christentum hinaus als ein liebender Mensch erscheint, geradezu als ein Archetyp des Liebhabers.

Dass das alles eine dogmen- und prinzipienstrukturierte Kirche natürlich anders sieht als ein nach Begegnung und Berührung hungriger Mensch, versteht sich von selbst, und auch, dass der Vatikan bis zum heutigen Tag die UNO-Menschenrechtskonvention nicht unterzeichnet hat; sonst müsste er ja den Mitgliedern der Katholischen Kirche unter anderem die Gleichberechtigung von Mann und Frau und deren freie Berufswahl garantieren.

In der Nähe von Aachen, auf dem alten Friedhof im holländischen Roermond steht ein bemerkenswerter Grabstein. Im Jahre 1888 wurde dort ein Ehepaar bestattet. Weil aber die Frau nicht katholisch war, durfte sie nicht an der Seite ihres Mannes im selben Grab beigesetzt werden. Die Kinder des Ehepaars kauften zwei Grabplätze an der Friedhofsmauer, den einen innerhalb, den anderen außerhalb des Friedhofs: Die beiden Grabsteine gestalteten sie so hoch, dass über die Mauer hinweg zwei Hände verbinden, was religiöse Vorschriften und Regeln zu trennen versuchten.

Der Volksmund sagt: „Liebe macht blind.“ Der Grabstein in Roermond sagt: „Liebe macht erfinderisch“, sie ist stärker als der Tod und auf jeden Fall mächtiger als gesellschaftliche Normen und kirchliche Traditionen.

KONTRA, von Marianne Schlosser

Warum vertraut die katholische Kirche in der Regel nur denjenigen den priesterlichen Dienst an, die zu einem Leben im Zölibat (d. h. in eheloser Keuschheit um des Himmelreiches willen) bereit sind? In erster Linie deswegen, weil es die Lebensweise Jesu ist. Priestertum im christlichen Verständnis gibt es nämlich nur in Abhängigkeit von Jesus Christus: Er ist der eigentliche, in gewissem Sinn der einzige Priester des Neuen Bundes.

Wer also das Sakrament der Priesterweihe empfängt, wird beauftragt und befähigt, das zu tun, was Christus für die Menschen tun will: in der Verkündigung des Evangeliums, der Spendung der Sakramente, dem selbstlosen Dienst am Heil der Brüder und Schwestern.

Diesen Dienst versteht die Kirche nicht als „Funktion“, für die es genügte, professionell ausgebildet zu sein, sondern als Nachfolge Christi, des „Guten Hirten, der sein Leben für die Seinen gibt“. Die Bereitschaft, auf eine Ehe und eigene Familie zu verzichten, ist ein leibhafter Ausdruck dafür, dass jemand das „Reich Gottes“ an die erste Stelle setzt und „Mitarbeiter Christi“ sein will. Dazu bedarf es einer lebendigen Beziehung zu Christus, dem auch die Einsamkeit des Herzens übergeben wird. Man kann die ehelose Lebensweise nicht einfach „in Kauf nehmen“, um den Priester-Beruf ausüben zu können. Auch eine Begründung mit pastoral-pragmatischen Erwägungen („umfassendere Verfügbarkeit“), wird sich letztlich als nicht tragfähig erweisen. Grund des Zölibats ist ein solches Vertrauen in das Evangelium, dass jemand das irdisch gesehen „Unvernünftige“, Nicht-Notwendige unternimmt. Verbunden mit einem bescheidenen Lebensstil – ein bequemes, selbstzentriertes Single-Dasein wäre ein Zerrbild des Zölibats! – ist die freiwillige Ehelosigkeit ein starkes Zeugnis für die Wirklichkeit der Güter, von denen ein Priester zu reden hat: Dass Gott durch Jesus Christus den Menschen in dieser Welt nahe ist und nahe sein will. Dass es das ewige Leben gibt. Oder anders gesagt: Dass wir von Gott maßlos geliebt sind.

Würde die Kirche ihre Wertschätzung des Zölibats für Priester aufgeben und ihn ins Belieben stellen, so würde aus der Ehelosigkeit ein Ausdruck rein persönlicher Frömmigkeit, die mit der priesterlichen Aufgabe nichts zu tun hätte. Damit würde sich auch das Verständnis von Priestertum verändern, zu einer mehr funktionalen Sicht. Die großen Reformbewegungen der Kirchengeschichte, die nachhaltige Wirkung zeigten, setzten dagegen auf die innere Verbindung von Dienst-Amt und persönlicher Nachfolge Christi in den evangelischen Räten.