Nach ersten Nachweisen der Omikron-Variante in Deutschland gehen Experten von einem bereits darüber hinausgehenden Vorkommen aus. Der Zeitraum, in dem Reisende das Virus bereits international verbreiteten, betrage sicher Wochen, teilte Oliver Keppler, Vorstand am Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München der Nachrichtenagentur dpa mit. "Einige Hundert Fälle können es in Deutschland vielleicht sein."

Die aktuellen Infektionszahlen könne man nicht mit Omikron in Verbindung bringen, das sei die Delta-Welle, betonte Keppler auch. Er halte eine größere unentdeckte Omikron-Verbreitung in Deutschland für unwahrscheinlich. Am Max von Pettenkofer-Institut waren Omikron-Fälle in Bayern nachgewiesen worden. Die Variante war kurz nach ihrem Bekanntwerden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als besorgniserregend eingestuft worden. Inzwischen haben mehrere Länder weltweit Nachweise gemeldet. Gesamtzahlen für Deutschland veröffentlicht das Robert Koch-Institut (RKI) bisher nicht.

Das ganze Ausmaß der vierten Corona-Welle in Deutschland dürfte laut RKI-Präsident Lother Wieler erst in einigen Monaten deutlich werden. "Wir werden erst im Frühjahr sehen, wie schlimm diese vierte Welle wirklich ausgegangen ist", sagte Wieler der Deutschen Presse-Agentur. Bei Blutspende-Untersuchungen oder bevölkerungsrepräsentativen Stichproben werde sich zum Beispiel zeigen, wie hoch der Anteil der Menschen ist, die bereits Antikörper gegen Corona gebildet haben - sei es durch Impfung oder durch Infektion. So lässt sich unter anderem das Ausmaß unerkannter Fälle besser einschätzen.

"Je höher der Anteil der Menschen mit Antikörpern im Frühjahr ist, desto besser sieht es aus für uns", sagte Wieler mit Blick auf den erhofften Aufbau einer Grundimmunität in der Bevölkerung. Ende 2020, als es mit dem Impfen noch nicht losgegangen war, hätten erst etwa zwei Prozent der Bevölkerung die entsprechenden Antikörper gehabt, sagte Wieler. "Das heißt, wir waren sehr erfolgreich bei der Eindämmung."

Mit dem mittlerweile großen Teil an Geimpften in der Bevölkerung sei viel erreicht. "Wir sind natürlich schon weit. Das ist jetzt die zweite Wintersaison. Wir kennen das von früheren Influenza-Pandemien, dass es in der Regel zwei bis drei sehr starke Erkrankungswellen gab, bevor sich das Geschehen einpendelte."

Allerdings könnten neue Varianten oder auch Veränderungen bei existierenden Varianten den weiteren Verlauf stark beeinflussen. Der globale Erfolg von Maßnahmen sei wichtig, "weil wir gerade wieder sehen, dass die Eindämmungsmaßnahmen uns lediglich etwas Zeit verschaffen können". Die Ausbreitung von neuen oder veränderten Varianten zu verhindern, sei indes extrem schwer.

Angesichts der noch bestehenden Impflücke in Deutschland hänge auch der Verlauf des nächsten Winters davon ab, was jetzt getan wird. "Wenn viele Menschen immer noch keine Grundimmunität haben, könnten wir nächsten Winter wieder eine große Welle haben. Das Beste wäre, wenn sich alle impfen lassen, die geimpft werden können. Dann haben wir zwar immer noch dieses Virus in unserem Land, aber der Anteil der schwer Erkrankten nächsten Winter wäre wesentlich geringer."