Spaniens Strände sind voller Menschen, das Nacht- und Partyleben pulsiert, durch die Altstädte an der Mittelmeerküste schieben sich Besuchermassen. Immer seltener sieht man die Schutzmaske vor Mund und Nase. Das Leben brodelt wieder allerorten im Urlaubsland Spanien – und mit dem blühenden Leben kehrt auch das Coronavirus zurück. Die Fallzahlen explodieren gerade im spanischen Königreich, das über Nacht wieder zum europäischen Corona-Brennpunkt wurde.

Nach den neusten Daten der amerikanischen Johns Hopkins Universität ist Spanien momentan das europäische Ferienland mit der höchsten Zahl neuer Ansteckungen. Die landesweite 7-Tage-Inzidenz machte innerhalb einer Woche einen gewaltigen Sprung von 100 auf zuletzt 188 Fälle pro 100.000 Einwohner. Die Krankenhauseinweisungen steigen wieder – rund 3000 Menschen liegen mittlerweile wieder in den Hospitälern. Bereits im vergangenen Sommer war Spanien, nach Frankreich das meistbesuchte Urlaubsland Europas, der absolute Corona-Hotspot auf dem Kontinent. 

In Portugal gibt es Restriktionen

Mit dieser gewaltigen Infektionsexplosion überholte Spanien mittlerweile sogar Portugal, das in Südeuropa zuerst von der neuen Viruswelle überrollt wurde. In Portugal liegt die landesweite wöchentliche Fallhäufigkeit momentan bei 160 Neuansteckungen pro 100.000 Bewohner.Dort gilt vielerorts wieder eine nächtliche Ausgangssperre und die Gastronomie muss früher schließen. Die Hauptstadt Lissabon ist an den Wochenenden abgesperrt.

Sollten die Fallzahlen in Spanien in den nächsten Tagen weiter zunehmen, könnte es heikel werden: Dann könnte Deutschland das spanische Urlaubsparadies – wie bereits mit Portugal geschehen – als Hochinzidenzgebiet einordnen. Das könnte eine Quarantänepflicht für deutsche Reiserückkehrer nach sich ziehen. Portugalurlauber bekommen dies bereits zu spüren. Soweit sie keine komplette Impfung oder Covid-Genesung nachweisen, können sie sich frühestens nach fünf Tagen aus der Zwangsquarantäne freitesten.

In Portugal brachen wegen dieser neuen Reisehürden bereits die Buchungen ein. In Spanien könnte Ähnliches blühen. Deutschland ist nach Frankreich der zweitwichtigste Tourismusmarkt für Spanien. Bis Ende Mai kamen 770.000 deutsche Urlauber ins spanische Königreich – rund ein Drittel von ihnen machte Urlaub auf der Insel Mallorca.

Deutschlands Außenminister Heiko Maas kannte offenbar noch nicht die bedenkliche Entwicklung in Spanien, als er Anfang der Woche bei einem Blitzbesuch in der spanischen Hauptstadt Madrid versuchte, die Spanienurlauber mit den Worten zu beruhigen: „Die Zahlen steigen zwar wieder, aber zunächst nicht besorgniserregend“, sagte Maas zur Lage in dem iberischen Land.

Neues Risikogebiet?

Die Virologen waren zu diesem Zeitpunkt schon weiter: „Die Situation ist epidemiologisch kritisch“, sagt Javier Arranz, der Sprecher der Gesundheitsbehörden auf den Balearischen Inseln, zu denen Mallorca, Ibzia und Menorca gehören. Der Gesamtwert für die 7-Tage-Inzidenz auf den Balearen kletterte inzwischen auf über 150 Fälle pro 100.000 Einwohner. Ab dem Grenzwert 50 sieht Deutschland eine Region üblicherweise als Risikogebiet an.

Keine guten Aussichten für die spanische Tourismusbranche, die fürchtet, dass die neue Coronawelle nun auch diesen Sommer zunichtemachen könnte. Der Tourismus ist Spaniens wichtigste Einnahmequelle und trägt mehr als zwölf Prozent zur nationalen Wirtschaftsleistung bei. Auch wegen dieser Sorge sind die spanische Regierung wie die regionalen Gesundheitsbehörden derzeit sehr zurückhaltend mit neuen Einschränkungen des öffentlichen Lebens.

Erst Ende Juni war die Maskenpflicht im Freien eliminiert worden, auch wenn viele Virologen dies für verfrüht hielten. Aber die Politiker hörten nicht auf die Warnungen. Ihnen geht es in diesem Sommer vor allem um Eines: Sie wollen das durch die Pandemie schwer angeschlagene Tourismusgeschäft, an dem Millionen Jobs hängen, unter allen Umständen retten.

Delta-Variante sehr verbreitet

Vielleicht auch deswegen hat Spaniens Regierung auffallend wenig Interesse daran, aktuelle Zahlen zur Verbreitung der Delta-Variante zu veröffentlichen. Die Tourismuskunden sollen nicht verschreckt werden. Doch aus vereinzelten Angaben regionaler Gesundheitsbehörden kann geschlossen werden, dass diese hochansteckende Virusmutation wie schon in Portugal, wo sie bereits 90 Prozent aller Fälle provoziert, auch in Spanien schon vor Wochen zum Infektionstreiber wurde.

In der nördlichen spanischen Region Navarra, die wegen ihrer Stiertreiben in der Stadt Pamplona weltberühmt ist, wurde Delta zuletzt schon für 80 Prozent aller Neuansteckungen verantwortlich gemacht. In der Mittelmeerregion Katalonien, wo die Urlaubsküste Costa Brava und der Tourismusmagnet Barcelona liegen, waren es bereits mehr als 50 Prozent. Ebenso im benachbarten Feriengebiet rund um Valencia mit den beliebten Stränden der Costa Blanca. Dies gibt eine Ahnung davon, dass die Delta-Mutante in Spanien mittlerweile vielerorts vorherrschend sein dürfte.

Und nun breitet sich auch die Lambda-Variante aus

Hinzu gesellt sich eine weitere Sorge: In Spanien wurden nun die ersten Fälle der südamerikanischen Variante Lambda entdeckt. In der nordwestspanischen Region Kantabrien werden bereits mehrere hundert Fälle der Lambda-Mutante zugeordnet. Der Infektionsherd sei eine Diskothek gewesen, heißt es. Derzeit machen die Fälle jedoch nur einen Bruchteil der Neuansteckungen aus.