Zahlreiche bekannte Schauspieler aus dem deutschsprachigen Raum haben sich am Donnerstag mit polemischen Statements gegen die Coronapolitik in Deutschland und Österreich zu Wort gemeldet. In kurzen Videos hinterfragen Größen wie Jan Josef Liefers oder Nicolas Ofczarek mehr oder weniger deutlich den Sinn von Maßnahmen zur Eindämmung des Virus.

Sind Maßnahmen wie Lockdowns aus Sicht der Schauspieler also reine Willkür und haben ohnehin keine Auswirkungen auf die Ausbreitung des Virus? “Ganz zynisch gesagt, halte ich nicht sehr viel davon, wenn Schauspieler eigene Texte sprechen”, sagt der Mathematiker und Statistiker Erich Neuwirth, der den Verlauf der Pandemie von Beginn an in einer ausführlichen Datensammlung auf seiner Website dokumentiert. Er verweist auf die Entwicklung innerhalb Österreichs in den letzten Wochen. 

"Lockdown im Osten hat einiges gebracht"

“Wenn ich mir die aktuellen Statistiken anschaue, hat der Lockdown im Osten einiges gebracht, weil die Infektionszahlen deutlich hinunter gegangen sind”, so Neuwirth. Lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Wien etwa am 31. März, als der Ost-Lockdown in Kraft trat, bei 321, konnte er mittlerweile auf 214 gedrückt werden.

In die andere Richtung verläuft die Kurve in Vorarlberg, wo sich die Coronafälle seit den Öffnungsschritten am 15. März vervierfacht haben. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg hier von ca. 70 auf aktuell 204. “Hier gehen die Zahlen deutlich hinauf. Also zu sagen, Lockdowns bringen nichts, scheint mir eine etwas krude Argumentation zu sein. Es ist ganz einfach falsch”, sagt Neuwirth.

Die Entwicklung der Sieben-Tage-Inzidenzen in den Bundesländern
Die Entwicklung der Sieben-Tage-Inzidenzen in den Bundesländern © Erich Neuwirth

Er mahnt auch bei geplanten Öffnungsschritten im Mai zur Vorsicht. “Angesichts der Entwicklung in Vorarlberg zu sagen, dass man noch mehr aufmacht, hielte ich für seltsam”, sagt der Statistiker. Obwohl der Ostlockdown seine Wirkung gezeigt habe, hält er Öffnungen derzeit noch für zu früh.

Geimpfte aus der Statistik nehmen?

Auch schon jetzt Lockerungen für 19. Mai, also in knapp vier Wochen, anzukündigen, wie es die Bundesregierung tut, sei problematisch. “Die Entwicklung ändert sich ständig. Vorhersagen kann man über so einen Zeitraum nicht treffen. Vor allem, weil man gerade nicht weiß, wie sich die neue Virusvariante entwickelt, die sich gerade in Tirol ausbreitet.” 

Dass sich bis Mitte Mai das Impf-Tempo entscheidend erhöht, um damit Öffnungen zu rechtfertigen, glaubt Neuwirth nicht. Er regt allerdings an, ab einer gewissen Zahl an geimpften Personen eine zusätzliche Corona-Statistik einzuführen. “Man könnte die Inzidenz neu berechnen, weil sich die Frage stellt, ob man die geimpften Personen herausrechnet”, so Neuwirth.

Zwar können sich auch geimpfte Personen weiterhin mit dem Virus infizieren, die Impfung soll aber vor einem schwereren Verlauf der Krankheit schützen. Auch Personen, die bereits einen Krankheitsverlauf durchgemacht haben, könnten aus der Statistik herausgenommen werden, so Neuwirth. “Hier muss es eine Diskussion unter Wissenschaftlern mit Medizinern und Statistikern geben, um eine vernünftige Berechnungsmethode festzulegen.”