Nach seinem Gespräch mit dem russischen Botschafter in Wien, Dmitri Ljubinski, hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärt, man befinde sich "auf den letzten Metern, und eine Bestellung von Sputnik kann wahrscheinlich schon nächste Woche erfolgen." Er sei sehr froh über die verbindliche Lieferzusage, da eine "sehr zeitnahe Lieferung" hier somit möglich wäre.

"Wenn wir Sputnik bestellen, dann werden wir noch im April 300.000 Dosen, im Mai 500.000 Dosen und 200.000 Dosen Anfang Juni erhalten", so Kurz. Es sei ein Datenraum eingerichtet worden und derzeit würden Verhandlungen zwischen dem Bundeskanzleramt, dem Gesundheitsministerium und der Finanzprokuratur mit der russischen Seite laufen, erklärte der Kanzler.

Der russische Verkäufer hat der Republik Österreich angeboten, bis Ende Juni in mehreren Tranchen eine Million Dosen des Impfstoffes "Sputnik V" zu liefern. In diesem Zusammenhang stellen sich für Kanzleramt und Gesundheitsministerium folgende Fragen:

  • Wann würde der Impfstoff geliefert, und braucht Österreich den dann noch?
  • Kann dieser Impfstoff rasch verimpft werde, auch wenn noch keine Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA)vorliegt?
  • Wer würde gegenüber dem russischen Anbieter als Käufer auftreten, und welche Haftungen wären damit verbunden?
  • Wie müsste die Verimpfung von "Sputnik V" organisiert werden?

Frage 1 beantwortete Kanzler Kurz mit dem Hinweis auf die "verbindliche Lieferzusage" für April, Mai und Juni. Der Impfstoff ist knapp, aber vermutlich nur und gerade jetzt: Bisher wurden erst zwei Millionen Dosen von BionTech/Pfizer, AstraZeneca und Moderna ausgeliefert.

Bis wann käme Sputnik?

Von April bis Ende Juni rechnet das Gesundheitsministerium mit der Lieferung von rund sieben Millionen weiteren Impfdosen aus den EU-Verträgen. Der bereits von der EU-Kommission vierte zugelassene Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson soll ab 19. April in Europa ausgeliefert werden. Bei diesem Vakzin ist nur eine Dosis für eine Immunisierung notwendig. Damit würde vorerst wohl das Auslangen gefunden - rund 5 Millionen Impfwillige wurden bisher gezählt. Das gilt allerdings nur für den Fall, dass alle Liefermengen eingehalten werden, und das schien zuletzt nicht mehr sicher.

Je schneller jedenfalls, desto besser, denn im dritten Quartal werden laut  Impf-Dashboard des Gesundheitsministeriums ohnehin zwölf Millionen weiterer Impfdosen aus den bisher fixierten EU-Kontingenten erwartet.

Was ist mit der EMA-Zulassung?

Frage 2 ist schon diffiziler. Am einfachsten wäre ein Vertrag, der als Datum für den Liefer- und Impfbeginn den Tag der EMA-Zulassung festlegen würde. Aber mit dieser EMA-Zulassung zieht es sich. Denkbar wäre auch schon eine frühere Lieferung und anschließende Lagerung. Das Verimpfen würde dann erst mit der EMA-Zulassung beginnen.

Interessant scheint der Politik nun offenbar vor allem eine dritte Variante: Ein früherer Impfbeginn, also kein Warten auf das Grüne Licht aus Brüssel. Auch Ungarn und die Slowakei gingen innerhalb der EU bereits diesen Weg. Hier bedürfte es einer Prüfung durch nationale Sachverständige, etwa das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), und einer Impfung durch niedergelassene Ärzte.

Wer haftet?

Damit verbunden wäre eine Haftung des Staates nach dem Impfschadengesetz, nebst der, abseits der jüngsten Corona-Notfallzeiten übliche, Haftung der verimpfenden Ärzte für Schäden, die durch deren Verschulden entstehen.

Im Rahmen einer vierten Variante wurde erwogen, dass nicht die Republik sondern der Medikamenten-Großhandel als Käufer auftritt, der dann auch für Vertrieb und Lagerung zuständig wäre und die Kosten in den Gesamtpreis für die Impfung einpreisen würde. Dabei, so meinen offenbar Insider, wäre es auch vorbei mit der optisch nicht ganz sauberen Doppelrolle des Staates als Beschaffer und Behörde.

Wer kauft und lagert?

Das wirtschaftliche Risiko würde immer beim Staat liegen, bei der letzten Variante aber - im Wege der Lagerung und Verteilung - auch bei den Großhändlern, die daran allerdings verdienen würden. Und ein Teil der Haftung, jene für die Wirksamkeit des Impfstoffes, würde bei einem früheren Impfbeginn, ohne Zulassung durch die EMA, bei den Großhändlern liegen, obwohl die Republik im Wege des Impfschadengesetzes nicht aus der Ziehung wäre.

Freie Wahl

Für die Impfwilligen würde diese Variante zumindest in Bezug auf Sputnik V die freie Wahl des Impfstoffes bedeuten.

Das Gesundheitsministerium beschäftigt sich seit gut zwei Wochen intensiv mit den Rahmenbedingungen. Kanzler Kurz preschte mit der Bekanntgabe der neuen Option vor. Anlass, den Ankauf von Sputnik-V und eine Verwendung noch vor der Zulassung der Europäischen Behörde in Erwägung zu ziehen, waren die Verzögerungen beim Durchimpfen der Bevölkerung in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres, die erhebliche weitere gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden für Österreich erwarten lassen.