Was versteht man unter „B.1.1.7.“?

B.1.1.7 ist die Bezeichnung für eine Mutation des Covid-19-Virus, auch als britische Variante bekannt. Virusmutationen kommen häufig vor und sind nicht automatisch bedenklich. „Manche davon drängen sich aber ins Licht – nämlich dann, wenn sie ein Merkmal haben, dass sie besonders abhebt. Im Falle der britischen Variante ist das die erhöhte Infektiosität“, sagt Lungenfacharzt Bernd Lamprecht. Laut AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) wurde in Österreich am 3. Jänner erstmals bei vier Personen diese Variante des Virus nachgewiesen. „Mittlerweile ist B.1.1.7 die vorherrschende Form in Österreich und hat den Wildtyp (Anm. die ursprüngliche Form des Virus) in den Hintergrund gedrängt“, sagt Lamprecht. Laut AGES werden im Osten Österreichs bereits 80 bis 90 Prozent der Neuinfektionen durch diese Variante verursacht.

Hat man andere Symptome, wenn man sich mit der britischen Variante ansteckt?

Einer Studie der britischen Statistikbehörde ONS nach, sind die Symptome bei einer Infektion mit der britischen Variante ähnlich wie jene, die man von der ursprünglichen Variante kennt. Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit und Erbrechen treten bei beiden Varianten etwa gleich oft auf. Hingegen sind Husten, Müdigkeit, Glieder- und Halsschmerzen bei der britischen Variante etwas häufiger. Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn treten dafür seltener auf. „Bei der Behandlung der Patienten gibt es derzeit noch keine Unterschiede“, sagt Lamprecht. 

Ist die britische Variante des Virus gefährlicher?

Österreichischen Untersuchungen zufolge ist die britische Variante um 23 Prozent ansteckender als das Stammvirus. Dadurch verbreitet sich das Virus auch schneller. Außerdem scheinen schwere Verläufe bei einer Infektion mit B.1.1.7 häufiger zu sein: „Diese Viren können sich leichter Zutritt zu den Zellen verschaffen. Mithilfe der Zellen können sich die Viren vervielfältigen. Bei diesem Prozess wird aber die Zelle beschädigt. Wenn das Virus mehr Zellen befällt und beschädigt, kommt es schneller zu mehr Symptomen“, sagt Lamprecht.
Großbritannien verzeichnete teilweise um 40 Prozent gesteigerte Aufnahmen auf Intensivstationen. Das offizielle britische Beratungskomitee NERVTAG schätzt das Krankheits- und Sterberisiko um 40 bis 60 Prozent höher ein als bei nicht mutierten Erregern. Die Experten weißen aber auch darauf hin, dass „das absolute Risiko für einen Todesfall bei einer Infektion trotzdem niedrig bleibt". Laut Lamprecht gilt es außerdem zu beachten, dass diese Prozentzahlen noch nicht in Stein gemeißelt sind: „Um genau sagen zu können, ob beispielsweise die Sterblichkeit erhöht ist, brauchen wir noch mehr Daten. Klar ist: Es handelt sich um eine ernstzunehmende Variante.

Stimmt es, dass diese Variante für Kinder gefährlicher ist?

Junge Menschen sind derzeit häufiger betroffen als noch im Frühjahr 2020. Das dürfte aber nicht allein mit der Mutation zusammenhängen: „Man muss auch bedenken, dass Kinder vor einem Jahr quasi nur zu Hause waren. Jetzt sind sie auch mitten im Infektionsgeschehen. Wahrscheinlich führt eine Mischung aus beiden Bedingungen zu den höheren Zahlen“, so der Experte.

Ab Mittwoch wird für ganz Nordtirol und den Bezirk Kufstein eine Ausreisetestpflicht eingeführt. Wie hängt das mit der britischen Mutation zusammen?

Grund dafür ist ein verstärktes Auftreten der britischen Virusmutation mit neuen Mutationsmerkmalen – bezeichnet als E484K-Zusatz. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Fluchtmutation. „Solche Veränderungen des Virus schaffen es, sich der Immunität teilweise zu entziehen“, sagt der Lungenfacharzt. Daher geht man derzeit davon aus, dass auch Menschen die bereits kürzlich an Covid-19 erkrankt waren, erneut an dieser Variante erkranken können. Auch im Hinblick auf den Impfschutz gibt es seitens der Experten Bedenken. „Eine berechtigte Hoffnung, die wir derzeit haben, ist, dass in diesem Fall die Neutralisationskraft der Antikörper nur abgeschwächt, aber nicht aufgehoben ist“, so Lamprecht. Das würde bedeuten, dass eine neuerliche Infektion zwar trotz Antikörpern möglich wäre, ein schwerer Verlauf aber unwahrscheinlich ist.

Wirkt die Impfung gegen diese Varianten?

Im Hinblick auf B.1.1.7 ist die gute Nachricht, dass die Impfung auch diese Mutation stoppen kann. Dem Robert Koch Institut zufolge schützen alle in Österreich zur Verfügung stehenden Vakzine auch vor einer Erkrankung mit der britischen Variante. Sorgen bereitet einigen Experten die Veränderung E484K im Erbgut des Virus. Diese ist bereits von der südafrikanischen und brasilianischen Variante des Virus bekannt. Es gibt erste Hinweise, dass die bereits zugelassenen Impfstoffe nicht so gut gegen die E484K-Variante schützen könnten. „Hier sollte man fest darüber nachdenken, die Auffrischungsimpfungen – die wir brauchen werden – zu nutzen, um die Immunität zu erweitern“, sagt Lamprecht. „Das kennen wir auch schon von der Grippeimpfung: Auch hier wird jedes Jahr ein neuer Impfstoff angeboten, der sich den Entwicklungen anpasst.“

Wie schnell können Impfstoffe angepasst werden?

Vor allem mRNA-Impfstoffe lassen sich sehr leicht anpassen. Dafür muss nur der genetische Bauplan leicht verändert werden. Experten sowie auch die Hersteller schätzen, dass dies in wenigen Wochen oder Monaten möglich sein sollte. Etwas länger könnte eine Impfstoffanpassung bei Vektorimpfstoffen wie von AstraZeneca dauern. AstraZeneca selbst arbeitet aber anscheinend schon daran: Für den Herbst ist schon eine neue Impfstoff-Generation angekündigt, die besser vor neuen Varianten schützen soll. Was den Einsatz eines überarbeiteten Impfstoffes allerdings hinauszögern könnte ist die Zulassung.

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