Es war ein trauriger Anblick. Der altehrwürdige Vergnügungspark Tivoli mit seinen verschnörkelten Achterbahnen in Kopenhagen: gespenstisch leer wie in einem Gruselfilm aus den 1980ern. Seit Samstag hat er wieder geöffnet. „Es sind trotzdem nicht so viele da, wegen des Wetters“, sagt die Kassiererin. Nach Monaten strenger Einschränkungen hat die dänische Regierung beschossen, schrittweise aus dem Lockdown auszusteigen. Trotz Warnungen aus dem Ausland über eine bevorstehende dritte, durch Mutationen möglicherweise besonders tödliche Welle.


Doch Dänemarks sozialdemokratische Regierung stützt ihren Entscheid auf eine breite parlamentarische Mehrheit und hat das Lockdown-Aus mit zahlreichen Vorsichtsmaßnahmen verknüpft. So sollen Öffnungen alle zwei Wochen erfolgen und erst nach einer sorgsamen Überprüfung die nächste Stufe folgen.

Wie schaffen das die Dänen?

Das kleine nordische Land mit 5,8 Millionen Einwohnern gehört zu Europas schnellsten Impfnationen. Bis Mitte Mai hofft man, alle gefährdeten Bürger über 50 geimpft zu haben. Im Sieben-Tage-Durchschnitt werden 181 Impfungen pro 1000 Einwohner vergeben (Österreich: 171). Zudem gehört Dänemark weltweit zu den Spitzenreitern beim Coronatesten und liegt mit Österreich im europäischen Spitzenfeld. Die derzeitige Kapazität von 400.000 Tests pro Tag soll bis Mitte Mai auf 700.000 erhöht werden.

Auch die Österreicher testen viel, doch die Fallzahlen steigen. Wie also schafften die Dänen die Trendwende? Am Erfolg ist maßgeblich die nationale Gesundheitsbehörde beteiligt. Sie entscheidet und organisiert zentral für ganz Dänemark. Die Terminvergabe ist elektronisch geregelt. Mit Datenschutz halten sich die Skandinavier nicht auf. Es ist eh fast alles öffentlich. Alle Einwohner haben ein digitales Konto bei der Gesundheitsbehörde. Dort finden sich elektronische Patientenakten, sämtliche Arztbesuche, Diagnosen etc., damit jeder Arzt im ganzen Land im Notfall auf Daten zugreifen kann, statt sich erst Arztbriefe zufaxen zu lassen. Und so konnten auch schnell Einladungen zu Impfterminen abgeschickt werden.

Einfache Kontrolle

Das elektronische System, auch in den anderen nordischen Ländern gang und gäbe, ermöglicht es, schnell zu identifizieren, wer den Impfstoff am schnellsten braucht und wie die Logistik mit den Impfterminen am effektivsten auszugestalten ist. Von Kopenhagen aus werden täglich die Impfstoffe in die jeweiligen Regionen gefahren. Eigenregie von Bundesländern kennt man nicht. Ein Impftermin kann auch über eine Homepage gebucht werden. Auch eine zentrale Telefonhotline gibt es, bei der man gar nicht lange warten muss. Das System ist so ausgeklügelt, dass es alte besonders anfällige Menschen erkennt, die sich eigentlich schon hätten impfen lassen müssen, es aber sein lassen haben. Die Heimatkommunen dieser Menschen werden verständigt. Diese rufen dann freundlich bei den Personen (auch alle Telefonnummern sind bekannt), und erinnern die Leute. Eine Impfpflicht gibt es auch in Dänemark nicht. Wenn am Abend eines Impftages Impfstoff übrig bleibt, wird dieser an Impfberechtigte verteilt, die eigentlich noch warten müssen. Sie werden angerufen und wer spontan Zeit hat, kommt noch zum Impfen vorbei.

Gläserner Bürger als Vorteil

Insgesamt ist die zentral gesteuerte Struktur der skandinavischen Länder mit nahezu gläsernen Bürgern ein Vorteil zum deutschsprachigen Raum. Auch die Spitäler sind vernetzt. So weiß man, wo noch Intensivbetten frei sind. Ein digitaler, über Smartphone abrufbarer, für Bürger ohne Handy in Papierform ausgestellter Corona-Pass soll bei den wiedereröffneten Einrichtungen vorgelegt werden. Darin steht, ob man geimpft ist, die Krankheit schon hatte oder aktuell negativ getestet ist. Zweiklassengesellschaft soll keine entstehen. Bis August soll jedem Dänen eine Impfung angeboten werden. Danach soll die Impfpassverpflichtung wieder abgeschafft werden.
Dänemarks Öffnung ist streng getaktet, kann aber bei schlechten Zahlen wieder geändert werden.

Der Öffnungs-Plan

Und so sieht der Plan aus: Ab 6. April sollen den bereits im März Monat schrittweise geöffneten Schulen stufenweise weitere folgen. Auch Dienstleister wie Friseure, Massagesalons und Tattoo Studios sollen wiedereröffnet werden, mit Maskenpflicht und Impfpass. Am 13. April dürfen kleinere Geschäfte und Einkaufszentren aufsperren. In der dritten Aprilwoche folgen größere Einkaufspassagen und Geschäfte. Auch kulturelle Einrichtungen wie Museen, Kunst-Galerien und Büchereien sollen dann geöffnet werden, aber nur für Personen mit Corona-Pass. Dann folgen Restaurants, in deren Außenbereichen wieder serviert werden darf. Ab 6. Mai dürfen Konzertveranstalter, Theater und Kinos den Betrieb wiederaufnehmen und Restaurants dürfen im Innenbereich servieren. Ab 21. Mai soll das meiste, was bis dahin nicht geöffnet wurde, wiedereröffnen.

Alles unter dem Vorbehalt, dass die Coronalage es zulässt. Das Ende des gesamten Lockdowns wurde wie folgt genau festgelegt: „Wenn die ältesten und verletzlichsten Bürger und Bürger über 50 mit der ersten Dosis geimpft sind“.