"Diese Zahlen stimmen hinten und vorne nicht. Ich verstehe einfach nicht, wie die AGES solche Zahlen herausgeben kann und wie sie auf sie kommt. Daher habe ich aufgehört auf dieses Dashboard zu schauen, um mich nicht mehr zu ärgern", das sagt Walter Hasibeder, seit Mittwochnachmittag neuer Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) im Interview mit "Die Presse"

In seiner Aussage bezieht er sich auf die Zahlen des Ages-Dashboards zur Auslastung der Intensivstationen, die demnach in Wien zu 51,9 Prozent, in Tirol zu 36,5 Prozent und in Salzburg zu 38,8 Prozent belegt sein sollen. Doch Hasibeder widerspricht vehement, die Intensivstationen seien voll, das sei eine Tatsache. "Erst gestern habe ich mit einem Kollegen aus einem Wiener Spital telefoniert, der nur noch ein freies Bett hat. Intensivstationen sind auch ohne Pandemie zu 80 bis 90 Prozent belegt, in ganz guten Zeiten zu 70 Prozent, andernfalls würde es nicht so viele geben. Sie gehören zu den teuersten Ressourcen im Gesundheitssystem", sagt Hasibeder im Gespräch mit Köksal Baltaci. 

"Streng genommen kein freies Bett"

Eine Sprecherin des Wiener Gesundheitsverbundes bestätigte indirekt ebenfalls die Meinung Hasibeders. Die am AGES-Dashboard genannte, nur 52-prozentige Auslastung der Intensivbetten ist demnach missverständlich. "Wir haben streng genommen gar kein freies Bett", sagte sie gegenüber der APA. 

Das AGES-Dashboard weist (mit Stand Dienstag) 493 verfügbare Intensivbetten in ganz Österreich aus. Allerdings ist nur ein Teil dieser Betten wirklich aktuell verfügbar, wie Herwig Ostermann von der Gesundheit Österreich (GÖG) erklärt. Denn als "verfügbar" werden auch all jene Betten gezählt, die binnen einer Woche mobilisiert werden können. Öffentlich ausgewiesen wird diese Unterscheidung allerdings nicht. Somit scheint für Wien aktuell nur eine 52-prozentige Auslastung der Corona-Intensivbetten auf (165 von 318 Plätzen belegt).

Vor allem in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland wird sich die Lage in den nächsten Tagen und Wochen weiter zuspitzen. Wie die Experten, die für das Gesundheitsministerium eine wöchentliche Covid-Prognose erstellen, betonten, wird der stärkste Anstieg für Wien von aktuell 168 auf 260 benötigte Intensivbetten innerhalb der nächsten zwei Wochen erwartet, im schlechtesten Fall sogar auf bis zu 320 und damit mehr als die in Stufe acht vorgesehenen 310 Intensivbetten. Wien liegt somit deutlich über der systemkritischen Auslastungsgrenze von 33 Prozent der Gesamt-Intensivbetten.

Maulkorberlass

Hasibeder äußerte sich in dem Interview außerdem kritisch zu einem "Maulkorberlass" für Leiter von Intensivstationen, vor allem in Wien. "Sie dürfen keine Interviews geben. Und wenn doch, muss jemand von der Krankenhausleitung anwesend sein."

Auch seine wichtigste Forderung in Richtung der Bundesregierung ist klar: "So schnell wie möglich so viele Impfstoffe wie möglich zu besorgen – egal, woher." Nur mit einer umfassenden Impfkampagne können man in die Nähe einer Herdenimmunität gelangen, also einen Weg aus dieser Pandemie finden. 

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