Wer hätte das gedacht? Vor rund einem Jahr, am 16. März 2020, wurde Österreich, wie es damals hieß, heruntergefahren. Nichts ging mehr. Ab Ostern wurde wieder langsam geöffnet, ehe im Herbst die Lage wieder außer Kontrolle geriet. Blickt man zurück, erscheint es fast unvorstellbar: Mit dem heutigen Tag hat Österreich sechs Monate Lockdown, genau ein halbes Jahr Lockdown hinter sich (in Summe 183 Tage). Im Frühjahr gab es 45 Tage lang Ausgangsbeschränkungen (bis zum 30. April), seit dem 3. November darf sich niemand ohne Einschränkungen im Freien aufhalten (138 Tage).

Ein Ende ist nicht in Sicht – im Gegenteil.

Seit Februar warnen Virologen, Epidemiologen, Komplexitätsforscher vor der dritten Welle. Die Zahlen steigen konstant, in ihren jüngsten Empfehlungen kommt die Corona-Kommission zum Schluss, dass sich die deutlichen Anstiege beim Infektionsgeschehen in den nächsten Wochen „gemäß Prognose“ fortsetzen werden. Manche orten ein Déjà-vu: Im Oktober stießen die Warnungen der Experten auf taube Ohren, ehe die Politik mit zweiwöchiger Verzögerung die Notbremse zog. Vom Herbst-Schock hat sich Österreich virologisch nicht mehr erholt.

Öffnung der Gastgärten sehr ungewiss

Am Montag treffen die Bundesregierung, Landeshauptleute und Fachexperten zu einem weiteren Corona-Gipfel im Kanzleramt zusammen. An sich wollte man über die beabsichtige Öffnung der Gastgärten zu Beginn der Karwoche beraten, doch daraus wird wohl nichts.

Wohin die Reise geht, darüber hüllt man sich in Regierungskreisen in Schweigen. Zumindest eine Entwicklung deutet sich an, auch im jüngsten Bericht der Corona-Kommission und in den Aussagen des Kanzlers und des Gesundheitsministers: Statt Österreich über einen Kamm zu scheren, will die Regierung regional differenziert, flexibel, situationselastisch handeln.

Heterogenes Infektionsgeschehen

Denn tatsächlich driftet das Land beim Infektionsgeschehen auseinander. Während in Wien, Niederösterreich und im Burgenland die Normal- und Intensivbetten in Spitälern knapp werden, sind die Infektionszahlen in Vorarlberg, wo die Gastronomie und die Kultur mit Auflagen geöffnet hat, rückläufig.

Regionale Differenzierung

Aber auch bei den Verschärfungen setzen Bund und Länder nicht mehr auf das Prinzip der Gleichmacherei. In den letzten Wochen wurden zahllose Orte, etwa Wiener Neustadt, Radstadt, Matrei, und Bezirke, etwa Hermagor und Schwaz, unter Quarantäne gesetzt. Dem Vernehmen nach will die Politik bei Lockerungen wie auch Verschärfungen mehr denn je regional differenzieren.

Werden Osterferien verlängert?

Angesichts der Ausbreitung der hochinfektiösen Mutationen könnten auch bundesweit noch einmal die Daumenschrauben angedreht werden. So spricht sich Epidemiologe Gerald Gartlehner für eine Homeoffice-Pflicht, für eine Reduzierung der Gültigkeit von Antigen-Tests (von 48 auf 24 Stunden), schnellere regionale Tests aus. Die Verlängerung der Osterferien (um vier Tage) wäre ebenso eine Option.