Bis Samstag kurz vor 22 Uhr verhandelte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit den Landeshauptleuten. Sie mit im Boot zu haben war ihm besonders wichtig. Heute Vormittag trat der Kanzler mit seinem Team vor die Presse, um die neuesten Maßnahmen zu verkünden.

Das Team, das ist jetzt nicht mehr das bisherige "virologische Quartett" mit Vizekanzler, Gesundheits- und Innenminister, sondern Landeshauptleute (Hermann Schützenhöfer als aktueller Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig) und Experten - namentlich der Vize-Rektor der MedUni Wien, Oswald Wagner, sind mit dabei. Ein demonstrativer Schulterschluss.

Die Rate der Neuinfektionen in Österreich liegt derzeit bei einer 7-Tages-Inzidenz von 130 pro 100.000 Einwohnern. Österreich liegt damit, nach den Anstrengungen der vergangenen Wochen, im Spitzenfeld in Europa, betonte der Kanzler. Es werden "harte zehn Wochen", aber es soll der letzte Lockdown sein.

Finanzminister Gernot Blümel erläuterte am Abend in der ZiB 2 den neuen Ausfallsbonus und meint, dass die Wirtschaftshilfen ausreichen, um die Zeit bis zur Öffnung zu überbrücken.

Lesen Sie hier die Chronologie, was seit den ersten Fällen vor fast einem Jahr alles geschah.

Das sind nun die neuen Maßnahmen:

  • Der Lockdown wird verlängert bis 8. Februar, da öffnen als erstes Handel, körpernahe Dienstleister und Museen.
  • Gastro, Tourismus, Veranstaltungen bleiben noch länger zu, eine Evaluierung erfolgt erst Mitte Februar, eine Öffnung im März ist das Ziel.
  • FFP2-Maskenpflicht im Handel und in den Öffentlichen Verkehrsmitteln, die Masken werden im Lebensmittel-Einzelhandel zum Selbstkostenpreis angeboten, bestimmte Gruppen werden sie gratis erhalten - wer, wann und wie soll am Montag mit der Verordnung bekannt gegeben werden.
  • Mindestabstand ("Baby-Elefant") von zwei Metern.
  • Eine Vorverlegung der Semesterferien für Steirer und Oberösterreicher (sie sind die Letzten in der Ferienordnung). Schulstart ist somit für WIen und Niederösterreich am 8. Februar, für alle anderen Bundesländer am 15. Februar.
  • Selbsttests an Schulen werden eingesetzt, sobald diese verfügbar sind.
  • Homeoffice überall dort, wo dies möglich ist.

Um 13 ging es weiter, da informierten die Fachminister des Wirtschaftsbereichs über Maßnahmen im Detail, mit Vizekanzler Werner Kogler, Finanzminister Gernot Blümel, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, Bildungsminister Heinz Faßmann und Staatssekretärin Andrea Mayer.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kündigte an:

  • Die Kurzarbeit gehe weiter.
  • Es wird eine Bonuszahlung zum Fixkostenzuschuss geben, "weil es ja schwieriger wird".
  • Es wird  auch eine Vorauszahlung geben, beides orientiert am Umsatz vergangener Zeiten.
  • Die meisten Fonds werden bis Juni verlängert, auch der Non-Profit-Fonds und die Unterstützungen für Kunst und Kultur.

Finanzminister Gernot Blümel präzisierte: Zusätzlich zu Fixkostenzuschuss und Verlustersatz gebe es nun einen Umsatzersatz bis zu 30% des Umsatzes und 60.000 Euro/Monat, jeweils gemessen am Umsatz des Vorjahresmonats. 15% seien der Bonus, 15% ein Vorschuss. "Sie müssen nur viermal klicken, und das Geld fließt". Voraussetzung sei nur die Beantragung des Fixkostenzuschusses, was ab einer bestimmten Höhe erst über den Steuerberater geht.

Hier finden Sie alles zum Thema Wirtschaftshilfen.

Das Credo von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger:

Jetzt gehe es darum, alle Maßnahmen lückenlos einzuhalten, damit die Infektionszahlen möglichst rasch wieder sinken und eine Öffnung möglich wird. Gleichzeitig sei es wichtig, die Tests zu intensivieren - auch in Zusammenhang mit den späteren Öffnungsschritten. Und dann sei wichtig: Impfen, impfen, impfen.

Staatssekretärin Andrea Mayer betonte, auch die Förderungsaktionen für Kunst und Kultur würden verlängert, insbesondere auch die Unterstützungen für Freischaffende, und zwar bis Ende Juni.

Bildungsminister Heinz Faßmann betonte, es würden ja 200 Millionen Euro in die Hand genommen für zusätzliche Förderkurse  - zwei Stunden pro Woche und Klasse. Über den Einsatz der Mittel würden die Schulen autonom entscheiden.

Die Basis für die Entscheidung der Politik, die die Experten geliefert haben, benannte der Kanzler wie folgt:

  • Es gibt Licht am Ende des Tunnels, "wir werden im Sommer wieder zur Normalität zurückkehren können. Dessen sind wir uns mittlerweile ganz sicher."
  • Ab dem Zeitpunkt, wo die über 65-Jährigen geimpft sind, also die Vulnerablen, wird eine Überlastung der Spitäler weniger leicht eintreten und wird die Situation für uns alle einfacher, "Dann ist auch ein zwischenzeitlicher Anstieg der Infektionen leichter zu verkraften".
  • Mit den derzeit zugelassenen Impfstoffen und Liefervereinbarungen werden wir bis Ende April, Anfang Mai allen über 65-Jährigen eine Impfung angebieten können, mit einer vollen Zulassung von AstraZeneca sogar schon bis Ende März.
  • Zusammengefasst: "Je nach Zulassung der unterschiedlichen Impfstoffe treten wir also im April oder spätestens im Mai in eine andere Phase."

Der Bundeskanzler bekundete Verständnis dafür, wie belastend die Situation für alle sei. Gleichzeitig gestand er ein, dass die mangelnde Planbarkeit auch die größte Belastung für die Politiker sei. Man wolle alle Informationen, die zur Verfügung stehen, mit der Bevölkerung teilen, und man habe sich "bemüht, ein möglichst realistisches Szenario zu entwerfen". Unabhängig davon, ob sich das Virus an die Planungen halte - an einer wöchentlichen Evaluierung führe kein Weg vorbei.

Die Schulen würden selbstverständlich der erste Bereich sein, den man wieder öffnen wolle, aber nach allen Ratschlägen der Experten müsse unbedingt eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 - eine Zahl von 700 Neuinfektionen pro Tag - zumindest weitestgehend angestrebt werden.

Und noch ein Hinweis auf den Nachbarn Südtirol: "Südtirol hat am 7. Jänner geöffnet und schließt heute wieder, die Öffnung hat genau zehn Tage gedauert." Der Lockdown sei schwer zu verkraften, ein ständiges Auf und Ab aber noch weniger.

"Die zehn schwierigsten Wochen"

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte: "Die kommenden zehn Wochen werden die schwierigsten Wochen innerhalb dieser Pandemie werden." Er betonte, die Schwierigkeit, das zu verstehen, liege darin, dass die Zahlen des mutierten Virus derzeit noch so gering seien, aber eine sprunghafte Vermehrung zu erwarten sei. In den USA beispielsweise werde bereits damit gerechnet, dass das hochansteckende "Britenvirus" schon im März die dominante Virus-Variante sein werde.

Anschober: ""Es wird ein Kraftakt. Das ist wie beim Marathon. Die letzten zehn Kilometer sind immer am schwersten."

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig betonte, wie schwierig es sei, vorausschauend Entscheidungen zu treffen. Natürlich stelle man sich die Frage: "Wenn diese Mutation schon in Wien eingetroffen ist, und das dürfte der Fall sein, müsste dann nicht die Anzahl der Infizierten schon stärker wahrnehmbar sein?" Aber der Schein trüge offenbar, und - so ergänzte der Steirer Hermann Schützenhöfer, "da müssen wir gewappnet sein".

Skigebiete bleiben offen

Schützenhöfer ergänzte: "In unserer Generation, und ich bin hier der Älteste, hat es noch keine größere Herausforderung gegeben." Dass jeder in Österreich noch behandelt werden könne, egal welchen Alters, das sei ein unschätzbarer Erfolg. "Das, was Sie heute hier sehen, ist ein beachtlicher Schulterschluss zwischen Ländern und Bund." Es sei unverzichtbar, "dass sich der Zusammenhalt, der seit dem ersten Lockdown brüchig geworden ist, wieder festigt."

In den Abendstunden des Samstag war durchgesickert, dass auch die Sperre aller Skigebiete in Diskussion sei. Viele Liftbetreiber vor allem in Tirol und Vorarlberg klagten über schwere Einbußen und argumentierten, ein Weiterbetrieb der Lifte sei völlig unwirtschaftlich. 

Andere beharrten jedoch auf dem Offenhalten, und die Politik entschied sich dafür, hier nicht einzugreifen. Schifahren und Eislaufen bleiben erlaubt.

Auch die Rennen in Kitzbühel und Schladming sind damit gesichert.

Mediziner Wagner entschuldigt sich

Labormediziner Oswald Wagner betonte: „Selten ist sich die Wissenschaft so einig wie heute.“ Nicht wissend, ob die schlechtesten Prognosen eintreffen, seien sich die Forscher weltweit einig, dass alles dazu getan werden müsse, die Zahl der Ansteckungen niedrig zu halten.

Wagner fügte übrigens auch eine Entschuldigung an: Nach einem Shitstorm wegen der Bemerkung, die dringende Empfehlung zum Home-Office sei auch notwendig, damit während der Schulschließung die Kinder betreut werden könnten, erklärte er: "Das kann man nicht, das habe ich gelernt, ich habe keine Kinder, das war ein Fehler von mir."

Mutation durchkreuzt alle Pläne

Ausschlaggebend für die betrübliche Entwicklung ist die Corona-Mutation, die in Österreich bereits in einer Reihe von Proben nachgewiesen wurde und die, so die Einschätzung von Virologen, Epidemiologen und Modellrechner, in den nächsten Wochen auch Österreich heimsuchen dürfte. In Deutschland hatte Kanzlerin Angela Merkel sogar eine Verlängerung des Lockdowns bis Ostern ins Spiel gebracht.