Der Plan, den das Gesundheitsministerium noch im November, also vor knapp zwei Monaten, an die führenden Köpfe im Gesundheitssystem unter „vertraulich“ ausgeschickt hat, klang verheißungsvoll:1,2 Millionen Impfdosen sollen im besten Fall im Jänner verimpft werden, für Februar und März waren 2,5 Millionen Impfdosen für Österreich angeführt. Vorbehaltlich der Marktzulassung natürlich.

Es hätten also maximal 3,7 Millionen Impfdosen bis Ende März 2021 zur Verfügung stehen sollen, wobei die Mindestannahme des Ministeriums drei Millionen Dosen betrug. Doch die in der Präsentation des Ministeriums formulierten Planungen und die in Folge getroffenen Politiker-Versprechungen können nicht eingehalten werden.

Die Hintergründe? Man hatte für die Hochrechnung hauptsächlich Impfdosen der Hersteller AstraZeneca, Sanofi, Johnson&Johnson und Pfizer-Biontech herangezogen. Dazu noch Curevac und Moderna.

Strategie

Doch die von der EU mit österreichischer Beteiligung präferierte Strategie, auf eine breite Auswahl bei den Herstellern zu setzen, ging nicht auf. Die Pläne stimmen schon seit Anfang Jänner nicht mehr mit der aktuellen Lage überein.

Denn bislang ist einzig der Impfstoff von Pfizer-Biontech zugelassen. AstraZeneca ringt ebenso wie Sanofi, Johnson&Johnson oder Curevac mit der Zulassung. Zumindest beim Moderna-Impfstoff steht die Entscheidung bevor.

Späte Bestellung

Dazu kommt: Die EU hat erst spät, und zwar im November, bei Pfizer-Biontech die Bestellung fixiert. Im Gegensatz etwa zu Israel oder den USA. Die Amerikaner hatten schon im Sommer aufgrund erfolgversprechender Studienergebnisse große Mengen bei Pfizer-Biontech geordert.

Die österreichischen Impfpläne wurden jetzt entsprechend korrigiert, auch diese Zahlen liegen der Kleinen Zeitung vor.

Und aus diesen Papieren geht hervor, wie sehr die Novemberpläne zurechtgestutzt werden mussten. Statt den geplanten maximal 3,7 Millionen Impfdosen bzw. 3 Millionen als Minimum stehen jetzt bis Ende März 2021 nur noch 880.720 Impfdosen zur Verfügung. Also rund 2,8 Millionen Impfdosen weniger als im November erhofft!

Das Ministerium geht jetzt von nur 440.360 Österreicherinnen und Österreichern aus, die bis Ende März geimpft werden können. Im Detail: 27.820 Personen in Kärnten, 66.205 in der Steiermark, 95.575 in Wien. Von der erwünschten Herdenimmunität ist man weit entfernt.

Abstimmungsverfahren

In der EU sollen auch Kostenüberlegungen und das komplexe Abstimmungsverfahren zwischen den Staaten wesentliche Gründe dafür sein, dass aktuell weniger Impfstoff als geplant zur Verfügung steht.

Eine belgische Politikerin veröffentlichte dazu in einem Tweet versehentlich Zahlen. So soll der AstraZeneca-Impfstoff 1,78 Euro pro Dose kosten, der Pfizer-Biontech-Impfstoff soll bei rund zwölf Euro liegen.

Experten haben längst ausgerechnet, dass die Mehrkosten durch neue Lockdowns um ein Vielfaches höher sind, als der Mehrpreis für die zwar teureren, aber verfügbaren Biontech-Impfdosen ausgemacht hätte. Nur zum Preisvergleich: Eine herkömmliche Grippeimpfung kostet rund 15 Euro.

Impfstoff-Strategie

Schlüsselfigur für die Impfstoff-Strategie im heimischen Gesundheitsministerium ist mit Clemens Martin Auer ein unter Türkis-Blau abgesetzter Sektionschef, der unter dem grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober ein Comeback feierte und zum Sonderbeauftragten mit beachtlicher Machtvielfalt aufstieg. Außerdem war er Co-Vorsitzender des Corona-Vakzine-Beschaffungsgremiums der EU.

Auer bestätigte in einem Ö1-Interview, dass bis zum Silvestertag in den Heimen 6000 Menschen geimpft worden seien. Alles andere könne er „aus Aktualitätsgründen“ nicht sagen. Was natürlich die Frage aufwirft, ob der elektronische Impfpass wie eigentlich angekündigt bei der Corona-Impfung eingesetzt wird oder nicht. Denn so könnten Zahlen und Statistiken jederzeit abgerufen werden.

Auf Anfrage der Kleinen Zeitung hieß es, ein Gespräch mit Auer sei derzeit aus terminlichen Gründen „nicht möglich“.

Israel

Die Impfzahlen sprechen jedenfalls für sich: Während Israel laut der Plattform „Our World in Data“ eine Impfrate von 15,83 pro 100 Personen hat, liegt Österreich bei0,09 pro 100 Einwohnern.

Klar ist auch: Corona-Impfungen benötigen eine lange Vorlaufzeit, um etwa die korrekte Lagerung der Impfstoffe bei Minus 70 Grad zu sichern oder die bürokratische Abwicklung in Altersheimen zu gewährleisten.

Damit hätte man schon im Dezember beginnen müssen, dann wäre auch die politische PR-Impfshow vom 27. Dezember ein echter Impfstart gewesen. Von den bisher 8360 verimpften Dosen hat laut Ministerium 2800 Wien erhalten, 2690 sind es in Niederösterreich, 890 in Salzburg, 525 in Vorarlberg und 485 in Tirol. Oberösterreich hat 460 bekommen, Kärnten 300, das Burgenland 170 und 40 die Steiermark.

Aber wie geht es laut Ministerium weiter? Ab 12. Jänner soll weiter in Pflegeheimen geimpft werden, ab 18. Jänner in Spitälern. Bis Ende dieser Woche werden rund 126.000 Dosen Impfstoff eintreffen. Bis Ende Februar könnten fast 200.000 Personen in Pflegeheimen und Spitälern die Impfung erhalten haben. Dabei handle es sich um eine „Zielvorgabe“, so das Gesundheitsministerium.

Ab dem zweiten Quartal, soll die „Allgemeinbevölkerung in Reihenfolge gemäß den Empfehlungen zur Priorisierung des nationalen Impfgremiums“ geimpft werden. Experten bleiben skeptisch. Alles steht und fällt alles mit weiteren Impfstoff-Zulassungen.

Inzwischen mehren sich kritischen Stimmen was Information, Handhabung und Organisation bei der Impfung betrifft. Kärntens Ärztekammer-Präsidentin Petra Preiss sagt, das es keinen Plan für Massenimpfungen gebe. „Das ist alles in den letzten Wochen frisch erfunden worden und das ist das Jämmerliche.“ Steiermarks Präsident Herwig Lindner appelliert: „Wir müssen es schaffen, nicht nur jene zu impfen, die geimpft werden müssen, sondern auch rasch jene, die geimpft werden wollen.“