Der November 2020 wird in die Geschichte des Landes eingehen. Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober sowie Innenminister Karl Nehammer verkündeten eine einmonatige Ausgangssperre von 20 Uhr bis sechs Uhr. Es wird keine Veranstaltungen mehr geben, die Gastronomie wird bis auf Lieferservice geschlossen. Oberstufe und Universitäten werden auf Distance Learning umgestellt, Schulen und Kindergärten bleiben aber geöffnet, kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an.

Die Kompensation für Betriebe und Unternehmen: 80 Prozent des Umsatzes aus dem Vergleichszeitraum des Vorjahres werden den Betrieben überwiesen. "Damit geht einher, dass die Betriebe die Mitarbeiter nicht kündigen dürfen, sondern in Beschäftigung halten." Die Kompensation gelte für alle, auch für Vereine, Theater und Museen, etc., ergänzte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).

Es werde auch eine Verlängerung der Kurzarbeitsbestimmungen geben, so Finanzminister Gernot Blümel. Und zusätzlich zur oben genannten Kompensation der Umsätze für besonders stark betroffene Unternehmen wolle man für jene, die in geringerem Maße betroffen seien, in Brüssel die Möglichkeit weiterer Fixkostenzuschüsse zu erwirken. "Wir sind da in enger Abstimmung mit Deutschland."

Für Spezialfälle, etwa Unternehmen, die in diesem Zeitraum sehr geringe Umsätze hatten oder die erst heuer gegründet wurden, arbeite an noch an gesonderten Lösungen.

Auf vieles verzichten

Kogler konzedierte: "Wir werden auf vieles verzichten müssen." Das sei der Preis dafür, dass vielen die Gesundheit, vor allem aber allen unser Gesundheitssystem erhalten bleibe. "Wir dürfen nicht vergessen: Die Reduktion der Kontakte um ein Drittel sorgt für eine Halbierung des Ansteckungsgeschehens." Daher werde auch in die Privatsphäre eingegriffen, mit der Ausgangssperre ab 20 Uhr und mit der Bestimmung, wonach sich privat nur noch Angehörige zweier Haushalte treffen dürfen. Garagen- und Gartenpartys darf es nicht mehr geben. Sport im Freien sei erlaubt.

"Unser Ziel ist es, die Wirtschaft trotzdem am Laufen zu halten", so Kanzler Kurz. Daher würden Industrie und Produktion ebenso wie diesmal auch Handel und Dienstleistungen offen gehalten. Dort, wo Home-Office möglich ist, soll Home-Office praktiziert werden. Die sozialen Kontakte sollen so weit wie möglich eingeschränkt werden. Zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr früh gilt de facto ein Besuchsverbot. "Der Grund ist, dass es gerade im privaten Bereich in dieser Zeit zu Partys gekommen ist, bei denen sich viele Menschen angesteckt haben."

Massive Freiheitsbeschränkung

"Uns ist bewusst, dass das eine massive Freiheitsbeschränkung ist", gestand der Kanzler ein. Aber die steigende Zahl der Infektionen lasse keinen anderen Weg zu. "Auch wir tragen nicht gerne eine Maske, würden gerne weiterhin in Lokale gehen und Freunde treffen." Aber ohne die Maßnahmen drohten Zustände, wie man sie gerade in anderen Ländern beobachten könne.

Und wie lange dauert das alles? Kurz ist überzeugt davon, dass es noch einmal gelingen kann, die Ansteckungszahlen massiv zu senken, "wenn alle mitmachen". Dann könne es im Dezember wieder Lockerungen geben. Das Ende sei erst erreicht, wenn ein Impfstoff zur Verfügung stehe. Der Fortschritt werde in den nächsten Monaten groß sein. "Ich gehe davon aus, dass wir spätestens im Sommer zu unseren gewohnten Aktivitäten zurückkehren können."

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hofft darauf, dass sich die Kurve der Infektionszahlen bis Mitte November wieder abflacht. Es dürfe nicht zur "Triage" kommen, dazu, dass die Ärzte auswählen müssen, wen sie behandeln. "Wir wollen das mit aller Kraft vermeiden." Wenn jetzt nicht massiv gegengesteuert werde, könnte die Kapazitätsgrenze der Spitäler schon Mitte November erreicht werden, machte Anschober den Ernst der Lage klar. Zuletzt sei vor allem die Gruppe der Betroffenen über 85 Jahren massiv gestiegen. Alten- und Pflegeheime müssten besonders gut geschützt werden. Anschober: "Ich bin Optimist. Was man einmal geschafft hat, kann man auch ein zweites Mal schaffen."

Erst wenn die Zahlen heruntergehen, sei an eine langsame Öffnung wieder zu denken.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nannte zwei Beispiele, wann künftig die Polizei einschreiten werde:

  • Wenn die Polizei nach 20 Uhr Leute im Park antrifft, die Alkohol konsumieren, dann ist das nicht erlaubt, die Betroffenen werden angezeigt.
  • Wenn ein Barbetreiber sein Lokal offen hält, wird der Barbetreiber angezeigt und die Personen, die sich nach 20 Uhr dort aufhalten, auch.

Ab Dienstag in Kraft

Der Hauptausschuss des Nationalrates tritt am Sonntag um 17 Uhr zusammen, um die geplanten neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu beschließen. ÖVP und Grüne hätten auch alleine die nötige Mehrheit. Die Maßnahmen sollen am Dienstag, dem 3. November, um 0 Uhr in Kraft treten. Vorerst befristet mit Ende November, wobei die Ausgangssperre vom Hauptausschuss alle zehn Tage verlängert werden müsste.

Vor der Pressekonferenz konferierte die Regierungsspitze am Samstag mit den neun Landeshauptleuten und traf die drei Oppositionschefs – allerdings per Video: FPÖ-Chef Norbert Hofer befindet sich bekanntlich in Quarantäne. Auch eine Zusammenkunft mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen stand auf der Agenda. Um 16.30 Uhr trat das virologische Quartett vor die Presse.

Die roten Landeshauptleute waren schwer verärgert: Schon am Freitag war der Entwurf zu Journalisten durchgestochen worden, erst um 1.19 Uhr in der Nacht auf Samstag sei er den Bundesländern übermittelt worden. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser schäumt: "Diese offensichtlich bewusste Brüskierung der SPÖ-Bundesländer ist extrem KURZsichtig!"

Um 11 Uhr gab SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gemeinsam mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger eine Pressekonferenz. Beide zeigten sich verärgert über mangelnde Einbindung der Opposition.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl warf der Regierung vor, den "Weg des Totalitarismus" zu beschreiten.

Ein Lockdown - doch nicht so light

Rein rechtlich ist die nächtliche Ausgangssperre kein Novum. Im Prinzip orientiert man sich an dem im März und April geltenden Lockdown mit seinen damals vier Ausnahmen. Jetzt gelten die Ausgangsbeschränkungen nicht mehr rund um die Uhr, sondern nur noch zwischen 20 und sechs Uhr früh. Warum man zu dieser Maßnahme greift? Abendlichen Zusammenkünften im Verwandten-, Bekannten- und Freundeskreis sowie nächtlichen Coronapartys soll der Boden entzogen werden.

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