Der britische Premier Boris Johnson will zur Kontrolle schärferer Corona-Maßnahmen in England möglicherweise auch das Militär einsetzen. Man werde die schärferen Corona-Maßnahmen streng überprüfen und Geldstrafen verhängen, verkündete Johnson am Dienstag im Londoner Parlament. Die Polizei werde dabei präsenter in den Straßen des Landes sein, gegebenenfalls könne zur Verstärkung auch das Militär eingesetzt werden.

Aufgrund der sich zuspitzenden Corona-Krise in Großbritannien verschärft Johnson für England erneut die Schutzvorkehrungen. Pubs und Restaurants sollen von Donnerstag an spätestens um 22.00 Uhr schließen. Außerdem wird nur noch Service am Tisch erlaubt sein.

Die Regierung weitet zudem die Maskenpflicht aus: Auch in Taxis oder Geschäften soll das Maskentragen künftig verpflichtend sein, genauso wie in Pubs oder Restaurants, wenn man sich gerade nicht an seinem Sitzplatz befindet. Hochzeiten sind nur noch mit 15 Teilnehmern erlaubt. Außerdem forderte Johnson Arbeitnehmer wieder auf, wenn möglich von zuhause zu arbeiten - eine Kehrtwende, nachdem er wochenlang eine große "Back to Office"-Kampagne (Zurück ins Büro) propagiert hatte.

Das Land befinde sich an einem "gefährlichen Wendepunkt", sagte der Premier. In den vergangenen Tagen kamen fast täglich 3.500 bis 4.400 neue Fälle hinzu, die Zahl der Infektionen verdoppelte sich ungefähr innerhalb von sieben Tagen. Verbreite sich das Virus ungehindert im gleichen Tempo weiter, könnte Großbritannien Mitte Oktober fast 50.000 Fälle pro Tag zählen, warnen führende Gesundheitsexperten.

Die neuen Vorgaben sollen voraussichtlich sechs Monate lang gelten. "Diese Regeln werden nur funktionieren, wenn sich alle daran halten", betonte Johnson. Für den Fall, dass die Infektionszahlen weiter ansteigen, stellte der konservative Politiker eine Verschärfung der Maßnahmen in Aussicht.

Die neuen Maßnahmen gelten für England, da in Schottland, Nordirland und Wales die regionalen Regierungen darüber bestimmen. Nach einem Treffen mit den Ministern der anderen Landesteile kündigte Johnson jedoch an, dort würden ähnliche Maßnahmen getroffen. In Nordirland gelten allerdings bereits deutlich schärfere Regeln.

Angesichts stark steigender Infektionszahlen empfiehlt die britische Regierung ihren Bürgern im Kampf gegen das Coronavirus wieder die Arbeit im Home-Office. "Leuten, denen es möglich ist, von zu Hause zu arbeiten, würden wir empfehlen, das zu tun", sagte Staatsminister Michael Gove am Dienstag dem Sender Sky News. "Die Infektionsrate geht nach oben, die Zahl der Menschen, die ins Krankenhaus müssen, geht nach oben, und deswegen müssen wir handeln."

Großbritannien empfiehlt wieder Arbeit von zu Hause

Premierminister Boris Johnson wollte sich am Dienstag an seine Landsleute wenden, um ihnen den Ernst der Lage bewusst zu machen und sie an geltende Abstands- und Hygieneregeln zu erinnern. Der konservative Regierungschef soll das weitere Vorgehen zu Mittag (13.30 Uhr MESZ) vor dem Parlament und am Abend (21.00 Uhr MESZ) in einer landesweit übertragenen Ansprache erläutern. "Wir wissen, dass das nicht einfach sein wird", heißt es in einem im Voraus verbreiteten Redetext. "Aber wir müssen weitere Maßnahmen ergreifen, um das Wiederaufleben der Virusfälle zu kontrollieren und das Gesundheitssystem zu schützen." In Schottland wird eine Ankündigung von Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon erwartet.

Warnung vor steigender Todesrate

Am Montag hatten führende Mediziner des Landes gewarnt, sollte die Regierung jetzt nicht handeln, drohe die Todesrate innerhalb der nächsten Wochen exponentiell zu steigen. Die Zahl der Neuinfektionen im Vereinigten Königreich legte zuletzt binnen 24 Stunden um mindestens 6.000 zu. Die Zahl der Covid-Patienten in den britischen Krankenhäusern verdoppelt sich alle acht Tage, und die Testkapazitäten im Land sind den Behörden zufolge am Limit. Deshalb will Johnson die Briten wieder verstärkt dazu auffordern, zu Hause zu arbeiten. Zudem sollen ab Donnerstag alle Restaurants, Bars und Pubs um 22.00 Uhr schließen.

Innerhalb der Provinzen England, Schottland, Wales und Nordirland sind bereits Einschränkungen des öffentlichen Lebens verhängt worden. Einen Lockdown wie im März will die britische Regierung aber verhindern. "Es wird eine Verschiebung bei den Schwerpunkten geben", sagte Minister Gove dem Sender Sky News. Laut Gove will die Regierung dafür sorgen, dass die Industrie und das Handwerk weiter arbeiten können. Auch die Schulen sollen geöffnet bleiben. Das Vereinigte Königreich verzeichnet in der Coronakrise die höchsten Todeszahlen in Europa und die fünfthöchsten weltweit.