Schon am Mittwoch soll es so weit sein: Der Nationalrat wird nach mehreren Überarbeitungen die Novellen von Epidemie- und Covid-19-Gesetz beschließen, die Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Landeshauptleuten und Bezirksbehörden noch mehr Möglichkeiten geben sollen, das Coronavirus zu bekämpfen.

Wie schon der erste Entwurf der Novelle hat auch die neuerliche Begutachtung reges Interesse erfahren: mehr als 5000 Stellungnahmen – viele davon allerdings Copy&Paste-Briefe – sind im Parlament eingelangt. Die Opposition will noch einige Anpassungen; vor allem Einwände der SPÖ (die primär behördliche Kontrollbefugnisse betreffen) sind relevant, das sie gemeinsam mit der FPÖ – die das Gesetz als ganzes ablehnt – das Inkrafttreten der neuen Regeln im Bundesrat verzögern könnte.

Die wichtigsten Punkte des Entwurfs:

1. Ausgangssperren und Betretungsverbote: Die Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr („es gibt nur drei Gründe...“) hatten bekanntlich keine gesetzliche Grundlage. Die soll jetzt nachgeliefert werden. In Abstimmung mit dem Hauptausschuss des Nationalrats – dass er involviert ist, war ein erstes Zugeständnis der Regierung an die Opposition – könnte Anschober danach verfügen, dass das Betreten und Befahren von bzw. das Verweilen an bestimmten Orten verboten oder eingeschränkt wird. Ausgenommen ist jedenfalls immer der private Wohnbereich, die fünf Ausnahmefälle Notfall, Hilfeleistung, Deckung von Grundbedürfnissen (Einkauf), Arbeit und Erholungsausgang sind festgeschrieben.

2. Rückkehr des Babyelefanten: Anschober muss das Betreten aller öffentlicher Orte – oder bestimmter Orte (wie etwa einzelner Geschäfte) aber nicht gleich ganz verbieten, sondern kann es auch an Auflagen knüpfen. Zum Beispiel daran, einen bestimmten Abstand einzuhalten.

3. Ampel im Gesetz: Die Corona-Ampel und die Kommission, die sie schaltet, bekommt eine gesetzliche Grundlage – bisher operiert sie ja nur als informelles Organ. In Zukunft muss der Gesundheitsminister sie anhören, bevor er Maßnahmen nach dem Covid-Gesetz verordnet.

4. Versachlichung: Weil der Verfassungsgerichtshof eingefordert hat, allen Pandemie-Maßnahmen müsste eine sachliche Argumentation zugrunde liegen, steht nun im Gesetz, welche Kriterien zur Beurteilung der epidemiologischen Situation herangezogen werden müssen: die Clusteranalyse, Auslastung der Krankenhäuser, der Anteil der positiven an allen Tests sowie regionale Besonderheiten wie Tourismus- und Pendlerströme.

5. Zuständigkeiten: Die Gesundheitsbehörden in Österreich sind nach der komplexen mittelbaren Bundesverwaltung in byzantinischen Weisungsketten miteinander verbunden. Nun soll eine neue „Kaskadenregelung“ die Verantwortung im Epidemiefall klarstellen. Bundesweite Verordnungen soll künftig der Gesundheitsminister, landesweite die Landeshauptleute und bezirksweite die Bezirkshauptmannschaften bzw. Magistrate zu erlassen haben.

6. Gerichte werden entlastet: Bisher muss jede Quarantäne dem zuständigen Bezirksgericht gemeldet werden (prüfen muss es ohnehin erst ab einer Dauer von drei Monaten). In Zukunft sollen es nur noch solche sein, die länger als zehn Tage dauern – also die überwiegende Mehrzahl der Corona-Quarantänen nicht mehr.

7. Schul-Screenings: Der Bildungsminister (im Moment also Heinz Faßmann, ÖVP), soll künftig Corona-Screeningprogramme an Schulen anordnen und Schulärzte oder Labors mit deren Umsetzung beauftragen können. So sollen Schul-Cluster verhindert werden.

8. Strafen und Kontrollen: Polizisten und andere Organe des Sicherheitsdienstes dürfen in Zukunft auch Anhaltungen durchführen, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen. Bei Verstößen drohen Strafen bis zu 1450 Euro bzw. 30.000 Euro für Unternehmer, die gegen Auflagen verstoßen. Von Kontrollen explizit ausgenommen ist der private Wohnbereich. Für Aufregung sorgte zuletzt eine Norm, die den Behörden weitgehende Durchsuchungsrechte einräumte – sie soll in der finalen Version des Gesetzes bereinigt werden.

9. Veranstaltungen mit „größeren Menschenmengen“ bekommen ebenfalls leicht abgeänderte Regeln: diese sind entweder unter Einhaltung bestimmter Auflagen zu bewilligen oder zu untersagen. Unter anderem müssen die Veranstalter dabei ein „Präventionskonzept“ zur Minimierung des Infektionsrisikos vorlegen. Eine in einem früheren Entwurf geplante Pflicht von Gastro-Unternehmen, freiwillig auszufüllende Gästelisten aufzulegen, wurde verworfen.