Die Maturareise an den kroatischen Urlaubsstrand endete im Hausarrest. Elf von 18 Abiturienten aus dem schwäbischen Donzdorf, die sich zu einer von einem Hamburger Reisebüro organisierten „Partyreise“ auf die Insel Pag aufgemacht hatten, sind mittlerweile positiv auf das Coronavirus getestet worden. 50 direkte Kontaktpersonen schwitzen nun auch in häuslicher Sommerquarantäne. Vermehrt würde derzeit bei Rückkehrern aus den Balkanstaaten das Coronavirus festgestellt, warnt das zuständige Gesundheitsamt im deutschen Göppingen.

In Kroatien selbst ist von Coronapanik hingegen nichts zu spüren. Seit Monatsbeginn pendeln die offiziellen Infektionszahlen auf dem beneidenswert niedrigen Niveau von 24 bis 86 positiv getesteten Personen pro Tag. Die Zahl der täglich auf der offiziellen Corona-Homepage des Landes vermeldeten Coronatoten schwankt zwischen null und vier.

Massentourismus, aber die Viruskrise dennoch im Griff: Selbst Kroatiens Medien beginnen sich über die auffallend niedrige Infektionszahl zu wundern. Mehr als 660.000 ausländische Touristen aus aller Welt verweilten derzeit im Adriastaat, die allein am letzten Wochenende für 1,8 Millionen Übernachtungen sorgten, rechnet das Webportal „index.hr“ vor. Die Fährlinie Jadrolinja erwartete 70.000 Passagiere in nur zwei Tagen, zusätzliche Fähren beispielsweise nach Bra(c) wurden eingesetzt. „Wie kommt es, dass wir so wenige Erkrankte haben? Sind unsere epidemiologischen Angaben glaubwürdig oder wegen der Tourismussaison frisiert?“, fragen sich lokale Medien.

© AFP

Wenige Tests, wenige Kranke

Einen Grund für die offiziell sehr niedrigen Infektionszahlen im Adriastaat wittert beispielsweise Serbiens allgewaltiger Staatschef Aleksandar Vucic in der relativ geringen Anzahl von Tests. Serbien habe fünf Mal mehr Personen als Kroatien getestet, wetterte er bereits im Juli: „An was sollen sie sterben, wenn sie nicht testen?“ Zwar bestätigt der mit 4,7 Prozent relativ hohe Anteil von Infizierten an der Gesamtzahl der Getesteten die vergleichsweise niedrige Zahl von Tests. Dennoch hat Kroatien die Epidemie besser im Griff als die Nachbarn.

Hingen in Kroatien zu Wochenbeginn acht Corona-Patienten am Beatmungsgerät, waren es in Serbien beispielsweise 106. Im Gegensatz zu Serbien, wo im Juli zeitweise nicht einmal mehr den Kontakten von nachweislich Erkrankten nachgegangen wurde, haben Kroatiens Behörden seit Beginn der Epidemie zumindest auf jeden bestätigten Infektionsfall sofort reagiert. Zwar sind die Mitte Juli auffällig angezogenen Infektionszahlen in Kroatien wieder am Sinken. Doch nicht nur wegen der geringen Zahl der Tests dürften die offiziellen Zahlen das tatsächliche Bild an der Küste nur bedingt widergeben. Oft bleiben ausländische Besucher nur ein, zwei Wochen im Land – und Symptome treten erst nach der Heimkehr auf. Manchmal lassen sich infizierte Touristen auch bewusst lieber erst zu Hause als in der Fremde testen.

Doch auch die Tatsache, dass in Kroatien der Anteil privater Ferienappartements relativ groß und der der überdimensionierten Bettenburgen eher klein ist, begünstigt die epidemiologische Lage an der Adria. Kroatiens „Partytourismus“ ist keineswegs ausgeprägt – und beschränkt sich auf Pag. Dessen Risiken sind allerdings auch nach Ansicht von kroatischen Epidemiologen kaum zu unterschätzen. Nicht nur vermehrter Alkoholgenuss, sondern auch ohrenbetäubende Musik erschwert die Einhaltung sozialer Distanz in Klubs und auf Partybooten: Aus unmittelbarer Nähe ins Ohr geschriene Kontaktversuche erhöhen halt das Risiko unerwünschter Corona-Urlaubssouvenirs.