Die Krankheit kam in kleinen Schritten – und trotzdem schaffte sie es, St. Wolfgang zu überrumpeln. Der erste Verdacht auf eine Covid-19-Ansteckung wurde vor neun Tagen gemeldet. Den ersten bestätigten Fall gab es Dienstagabend. Freitagfrüh war von acht Fällen die Rede, abends von 26. Am Samstagabend lag der offizielle Stand bei 44. Nachdem die Auswertung der Tests vom Samstag abgeschlossen sind, ist der Coronavirus-Cluster im Tourismusort St. Wolfgang auf 53 Infizierte gewachsen.

Das Rote Kreuz hat vor der Ortseinfahrt bereits ein Drive-in für Coronatests eingerichtet, vor dem sich während des ganzen Wochenendes eine lange Autokolonne bildete. Ein 25-köpfiges Team wickelte alleine am Samstag 626 Testungen ab, rund 1000 sollten es am gesamten Wochenende sein. Am Sonntag wurden in St. Wolfgang weitere 419 Tests durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Abstriche sollen am Montag vorliegen.

Streit um Verantwortung

Haben die Verantwortlichen in St. Wolfgang und die Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu spät über Coronafälle informiert? In dieser Frage wird der Ball zwischen St. Wolfgang und Gmunden hin- und hergespielt. Bezirkshauptmann Alois Lanz sagt, die erste Pflicht der Behörden sei es, die Betroffenen selbst zu informieren. Doch auch in St. Wolfgang sieht man sich weder im Gemeindeamt noch im Tourismusbüro für die Informationsarbeit vor Ort zuständig. „Es ist die Aufgabe der Behörde, die Öffentlichkeit zu informieren“, sagt Wieser und schiebt die Verantwortung von sich.

In St. Wolfgang wurde auf Veranlassung der Landesregierung am Freitag die Sperrstunde auf 23 Uhr vorverlegt. Sollten die Zahlen weiter dramatisch steigen, könnten heute, Montag, weitere Verschärfungen folgen.

Am Sonntag patrouillierte die Polizei verstärkt in St. Wolfgang. Die Gemeinde appelliert an Bewohner, Gäste und Tourismusmitarbeiter, die Abende möglichst zu Hause oder in den Unterkünften zu verbringen. Das Virus hatte sich bekanntlich bei nächtlichen Feiern junger Gastronomie- und Tourismus-Praktikanten ausgebreitet. 41 der 44 ersten positiv Getesteten stammen aus diesem Kreis. Zwei Lokale, das „13er Haus“ und das „W3“, haben freiwillig den Betrieb ausgesetzt.

Telefonleitungen glühen

Im Tourismusbüro stehen seit Tagen die Telefone nicht still. Aus dem In- und Ausland kamen besorgte Fragen: Kann ich meinen Urlaub noch stornieren? Bekomme ich das Geld dann zurück? Lässt sich meine Buchung verschieben?

Das Virus trifft die Tourismushochburg zur empfindlichsten Zeit während der Hochsaison im Sommer. Wie hoch der Schaden sein wird, lasse sich noch nicht abschätzen, sagt Tourismusdirektor Wieser. Aber schon der Imageschaden ist gewaltig.

Auch bei vielen Urlaubern vor Ort wuchs die Nervosität. Etliche packten vorzeitig ihre Koffer, nachdem sie aus den Medien über die Lage in St. Wolfgang erfahren hatten.

Am Samstag wurde in St. Wolfgang ein Krisenstab ins Leben gerufen. Folgende Maßnahmen wurden sofort beschlossen: Alle Menschen, die in den vergangenen zwei Wochen Urlaub in St. Wolfgang machten, werden schriftlich über den Cluster informiert. Außerdem wird im Tourismusbüro eine eigene Hotline eingerichtet.