Die Verordnungen zu den Coronavirus-Ausgangsbeschränkungen und zur Geschäftsöffnung im April waren gesetzwidrig, sagt der Verfassungsgerichtshof am Mittwoch. Verfassungsjurist Heinz Mayer hätte schon damals darauf hingewiesen, aber kein Gehör gefunden, wie er gestern Abend in der ZiB 2 sagte: "Die Verordnung war höchst fraglich in ihrer Gesetzmäßigkeit und ich hab selbst mehrfach im Ministerium versucht, dass man das ändert."

"Babyelefant schwer angeschossen"

Auch Linzer Uni-Juristen sehen nun Handlungsbedarf. Verfassungsrechtler Andreas Janko sieht angesichts der am Mittwoch veröffentlichten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs zu den Covid-19-Verordnungen großen gesetzlichen Handlungsbedarf. Legistische Maßnahmen seien nicht nur notwendig, um sich auf eine zweite Corona-Welle vorzubereiten, sondern auch "um den Babyelefanten zu retten", sagte er in einem Videogespräch der Kepler Universität Linz.

"Der ist schwer angeschossen", so der Vizedekan über die viel zitierte Aufforderung, zur Infektionsvermeidung die Länge eines Babyelefanten zwischen sich und seinen Mitmenschen zu lassen. Folge man nämlich der Argumentation des Verfassungsgerichtshofs, so habe auch die grundsätzliche Abstandsregelung an öffentlichen Orten die gesetzliche Grundlage verloren.

Generalamnestie laut Funk faktisch nicht möglich

Nach Aufhebung des größten Teils der Corona-Ausgangsbeschränkungen durch den VfGH stellt sich außerdem die Frage, was mit den rückblickend gesetzeswidrigen Strafen geschieht. Die von der Opposition geforderte Generalamnestie sei "faktisch nicht möglich", meint Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Wolle man auch rechtskräftige Strafen zurückzahlen, müsste man mit hohem Aufwand Fall für Fall einzeln prüfen.

Eine Generalamnestie "in Bausch und Bogen" ohne Einzelfallprüfung wäre rechtlich nicht zulässig und auch "rechtspolitisch nicht tunlich", gab Funk zu bedenken. Denn damit würden alle Covid-19-Schutzmaßnahmen "mit einem Strich desavouiert". Würden alle aufgrund des Covid 19-Gesetzes und der Verordnungen verhängten Strafen aufgehoben, wäre das eine schwere Diskriminierung - weil dann auch tatsächliches Fehlverhalten straflos gestellt würde.

Aber auch wenn man nur die Strafen zurückzahlen will, die aufgrund der jetzt vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Verordnungsteile ergingen, müsste man Fall für Fall einzeln anschauen. "Die Einzelfallprüfung kann man sich nicht sparen", stellte Funk fest. Somit sei damit zu rechnen, dass die VfGH-Entscheidung nur auf noch laufende (Rechtsmittel)Verfahren Auswirkungen hat. Das wäre nicht ungerecht - denn Rechtsmittel wären jedem Bestraften offengestanden, auch gegen Organstrafmandate.

VfGH-Urteil zu Ausgangsbeschränkungen

Der VfGH hat am Mittwoch seine Entscheidungen zu den Themenbereichen Aufenthaltsbeschränkungen und die Geschäftsschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie veröffentlicht. Das Covid-19-Gesetz - samt Entfall des Entschädigungsanspruchs für behördlich geschlossene Betriebsstätten - befand der Gerichtshof für verfassungskonform.

Aber zwei Verordnungen von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wurden aufgehoben: Das de facto verfügte Ausgangsverbot mit nur wenigen Ausnahmen ging zu weit, er hätte laut Gesetz nicht generell das Betreten des öffentlichen Raumes, sondern nur das Betreten einzelner genau dargestellter Orte verbieten dürfen. Und die Verordnung zur teilweisen Wieder-Öffnung der Geschäfte nach Ostern war gleichheitswidrig. Geschäfte mit mehr als 400 m2 Verkaufsfläche wurden gegenüber den kleineren Geschäften und vor allem auch gegenüber größeren Bau- und Gartenmärkten mit mehr als 400 m2 (die ebenfalls aufsperren durften) benachteiligt.

Beide Verordnungen sind nicht mehr in Kraft. Zu den Strafen wegen Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkungen sind noch Rechtsmittel-Verfahren offen. In diesen dürfen die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr angewandt werden. Diskutiert wird aber auch über die Rückzahlung bereits rechtskräftiger Strafen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat eine "bürgerfreundliche Regelung" in Aussicht gestellt, ohne noch Details zu nennen.