Die Neuinfektionen in den USA steigen und lassen bei Experten die Alarmglocken schrillen. Präsident Donald Trump lässt sich davon aber nicht beeindrucken und macht die Krankheit mit rassistischen Bezeichnungen lächerlich.

Trump sagte am Dienstag (Ortszeit) bei einem Auftritt vor Anhängern in Phoenix (Arizona), er kenne "19 oder 20 Namen" für das Virus, das zunächst in China festgestellt worden war und sich dann über die Welt verbreitete. "Es gab noch nie etwas, wofür es so viele Namen gab", sagte Trump.

Als aus dem Publikum in Phoenix "Kung Flu"-Rufe ertönten, sagte
der Präsident: "Kung Flu, ja, Kung Flu." Daraufhin bekam er tosenden
Applaus. Trump hat das Coronavirus entgegen der Einschätzung von
Experten wiederholt mit einer Grippe verglichen - auf Englisch
"Flu".

Das chinesische Virus "Kung Flu"

Trump hatte erstmals am Samstag bei einer Wahlkampf-Kundgebung in
Tulsa (Oklahoma) gesagt, er kenne für das "chinesische Virus"
verschiedene Namen, darunter "Kung Flu". Er sah sich daraufhin
Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt, denen das Weiße Haus widersprach.
Sprecherin Kayleigh McEnany sagte vor Trumps Auftritt in Arizona,
Trump habe nur auf die Herkunft des Virus aufmerksam machen wollen.

Der führende US-Immunologe in der Corona-Krise, Anthony Fauci,
zeigte sich unterdessen besorgt über die deutlich zunehmenden
Fallzahlen von Coronavirus-Infektionen in mehreren US-Bundesstaaten.
Fauci sprach bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus von einem
"beunruhigenden Anstieg von Infektionen" in Florida, Texas, Arizona
und anderen Bundesstaaten. Die nächsten Wochen seien entscheidend
dafür, diesem Anstieg entgegenzuwirken, sagte er.

Testen "zweischneidiges Schwert"

Rund die Hälfte der US-Bundesstaaten verzeichnen eine Zunahme von
Fällen. Trump spielte den jüngsten Anstieg bekannter
Coronavirus-Infektionen in den USA am Dienstag erneut herunter.
"Wenn wir mehr testen, finden wir mehr Fälle", sagte er. "Testen ist
ein zweischneidiges Schwert." Die USA hätten 27,5 Millionen Tests
durchgeführt, mehr als jedes andere Land.

Trump hatte bereits bei der Kundgebung am Samstag gesagt: "Wenn
man in diesem Ausmaß testet, wird man mehr Menschen finden, man wird mehr Fälle finden, also habe ich meinen Leuten gesagt: "Verlangsamt bitte die Tests"." Aus dem Weißen Haus hieß es anschließend, Trump habe "offensichtlich gescherzt".

Der Präsident sagte am Dienstag, als er auf seine Aussage
angesprochen wurde: "Ich scherze nicht." Fauci betonte hingegen am
Dienstag, niemand aus der Coronavirus-Arbeitsgruppe des Weißen
Hauses sei jemals angewiesen worden, Tests zu verlangsamen. "Das
Gegenteil ist der Fall. Wir werden mehr testen, nicht weniger."

Trump wirbt für eine rasche Wiedereröffnung der Wirtschaft und
will - wohl auch mit Blick auf die Wahl im November - eine möglichst
rasche Rückkehr zur Normalität. Seiner Darstellung zufolge ist das
Coronavirus dabei, nach und nach aus den USA zu verschwinden.

Die meisten renommierten Experten lehnen Trumps Erklärung ab,
wonach die Zunahme der Infektionen vor allem auf eine Zunahme von
Tests zurückzuführen sein soll. Sie machen vorrangig die Lockerung
von Corona-Beschränkungen verantwortlich. Die täglich neu
registrierten Fälle in den USA liegen wieder bei rund 30.000 - das
ist nur etwas weniger als zum Höhepunkt der Krise im April.

Der Gouverneur von Texas, der Republikaner Greg Abbott, forderte
die Bürger angesichts eines Rekordwertes an Neuinfektionen innerhalb
eines Tages auf, zu Hause zu bleiben - Wochen nachdem sein
Bundesstaat als einer der ersten Schutzmaßnahmen gelockert hatte.
Der Gouverneur des US-Bundesstaates Washington hat das Tragen von
Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit angeordnet. "Es geht darum,
Leben zu retten. Es geht darum, unsere Unternehmen wieder zu öffnen.
Und es geht darum, Respekt und Fürsorge füreinander zu zeigen",
sagte der demokratische Gouverneur Jay Inslee. Washington
verzeichnete zuletzt einen Anstieg der Fallzahlen um 35 Prozent.

Die Vereinigten Staaten sind das Land mit den meisten
nachgewiesenen Coronavirus-Infektionen weltweit. Mehr als 2,3
Millionen Fälle wurden seit Beginn der Pandemie verzeichnet. Mehr
als 120.000 Menschen starben nach einer Infektion mit dem Erreger
Sars-CoV-2.

Trumps Veranstaltung in Phoenix war vom Weißen Haus als Ansprache
des Präsidenten "an junge Amerikaner" angekündigt gewesen.
Tatsächlich war es ein kaum verkappter Wahlkampf-Auftritt, bei dem
Trumps Anhänger dicht an dicht und größtenteils ohne Schutzmasken im
Zuschauerraum saßen. Trump hatte am Samstag in Tulsa (Oklahoma) eine Schlappe erlitten, weil bei der Kundgebung zu seinem angestrebten
Neustart seines Wahlkampfs in der Corona-Krise Tausende Plätze in
der Arena leer geblieben waren. Im November stehen in den USA
Präsidentschaftswahlen an.