Der Umgang der Volksrepublik mit dem Virusausbruch führte unter anderen dazu, dass sich die Spannungen mit den USA deutlich verschärften. Die Regierung in Peking räumt inzwischen selbst ein, dass es Probleme gab. So sagte Gesundheitsminister Ma Xiaowei zuletzt, die Schwierigkeiten bei der Eindämmung der Pandemie hätten "Schwachpunkte" offengelegt. Deswegen wurden Reformen in Aussicht gestellt, die insbesondere auf eine Stärkung der zahlreichen Seuchenkontroll-Zentren im Land abzielen. Doch Experten sind skeptisch, ob das allein künftig Abhilfe schafft. Ihren Worten zufolge kommt es vielmehr darauf an, dass frühe Warnsignale nicht von den örtlichen Behörden unterdrückt werden.

Als Ausgangspunkt der Krise gilt die Großstadt Wuhan in Zentralchina. Dort wurde der erste Fall einer ungewöhnlichen Lungenentzündung Ende Dezember amtlich diagnostiziert. Am 7. Jänner wurde demnach das neuartige Coronavirus als Ursache dafür ausgemacht. Der Lockdown wurde allerdings erst 16 Tage später verhängt. Laut einer Studie der Universität im britischen Southampton hätte die Infektionszahl um bis zu 95 Prozent geringer ausfallen können, wenn die Verwaltung in Wuhan die Schließungen zwei Wochen früher verfügt hätte.

Die Schlüsselfrage lautet?

Warum haben die lokalen Behörden so lange gewartet? Weil sie fürchten, dass Epidemien die soziale Stabilität gefährden, sagt Yang Gonghuan, der früher Vizechef des Chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle und Prävention in Peking war. Dies sei das "größte Problem". Denn so würden rechtzeitige Mahnungen in Medien und Gesundheitswesen unterdrückt.

Als Beispiel nennt Yang den berühmt gewordenen Arzt Li Wenliang aus Wuhan. Er schlug nach dem Virusausbruch Alarm, wurde dann aber von der Polizei massiv unter Druck gesetzt wegen angeblicher "Verbreitung von Gerüchten". Li starb später an der durch das Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19. In den sozialen Medien wurde er als Held gefeiert, zugleich wurden Unmutsbekundungen gegen die politische Führung laut.

Auch der Gesundheitsexperte Yanzhong Huang vom US-Forschungsinstitut Council on Foreign Relations macht politische Gründe als Achillesferse im chinesischen Gesundheitssystem aus. Dadurch würden die Erfolgschancen der Zentralregierung bei der Eindämmung von Viruserkrankungen beeinträchtigt, kritisiert er. Das habe sich nicht erst bei Covid gezeigt, sondern bereits bei der SARS-Epidemie in den Jahren 2002/2003.

In Reaktion darauf wurden damals die Seuchenkrontroll-Zentren (CDC) gestärkt. Ein Online-Erfassungssystem wurde eingerichtet, an das bereits 2007 fast alle Krankenhäuser des Landes angeschlossen waren. Zudem wurden Vorschriften für die Geheimhaltung gelockert. Ziel war es, gefährliche Krankheitsausbrüche schnell zu entdecken und zu bekämpfen.

Doch dann sei nach und nach wieder der Schlendrian eingekehrt, sagt Juraprofessor Wang Chenguang von der Tsinghua University, der in der Coronakrise zum Beratergremium der Regierung gehörte. "Nach 17 Jahren ließen es alle offenbar locker angehen, und die CDC-Befugnisse wurden ausgedünnt", bemängelt Wang und fordert: "Die CDC sollten zu objektiven, unabhängigen Ermittlungen in der Lage sein, nachdem sie Informationen über Epidemien erhalten haben."

Dazu sollen nun die angekündigten Reformen beitragen. Die Führung in Peking will den Hunderten CDC-Zentren, die für die öffentliche Gesundheit zuständig sind, mehr Macht geben und deren Zugang zu den Krankenhäusern verbessern. Damit soll verhindert werden, dass örtliche Behörden schlechte Nachrichten vertuschen und zu spät auf Virusausbrüche reagieren. Bisher gibt es aber nur Entwürfe für Leitlinien. Details zur zeitlichen Planung und zur Finanzierung der Reformen liegen noch nicht vor.

Experte Huang vom US-Institut Council on Foreign Relations hat Chinas Umgang mit Epidemien 20 Jahre lang erforscht. Er hält die bisherigen Pläne für nicht ausreichend. Seiner Ansicht nach muss vor allem dafür gesorgt werden, dass kritischen Hinweisen von Bürgern und Journalisten Gehör geschenkt wird. Informanten müssten geschützt statt bestraft werden, die Zensur in sozialen Medien müsse aufhören, fordert Huang. "Das wäre wahrscheinlich effizienter als in verbesserte Technologien oder in den Ausbau der CDC-Vollmachten zu investieren."