Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) ist nach seiner dritten Stimmbandoperation mittlerweile seit einigen Wochen wieder im Amt. Im APA-Interview übt er Kritik am Corona-Krisenmanagement des Bundes. Es gebe "zu viele Köche", er vermisse "klare Vorgaben". Wie man Tirol in der Causa Ischgl behandle, findet Doskozil "unfair" und verteidigt sein Vorgehen bei der Seebäder-Verordnung.

Seine Kritik untermauert der Landeshauptmann mit einem Beispiel: Anfang März, bevor er (zu seiner OP, Anm.) nach Leipzig ins Spital gefahren sei, habe es eine erste Sitzung im Bundeskanzleramt gegeben mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und den Landeshauptleuten. "Das war ein salopper Meinungsaustausch - keine Vorgaben, keine Einschätzungen, noch nichts wissend über Restriktionen, über den Lockdown."

"Und gleichzeitig fällt man jetzt über den Landeshauptmann (Günther, Anm.) Platter (ÖVP) her und über die Verantwortlichen in Tirol, dass Ischgl viel zu spät reagiert hat." Schon damals hätte der Gesundheitsminister sagen müssen: "Das und das ist nicht erlaubt. Man hätte klare Vorgaben gebraucht." Die habe es aber nicht gegeben: "Im Gegenteil, wir haben dort diskutiert, ob in Salzburg die Osterfestspiele stattfinden oder nicht."

Was in der Folge passiert sei - der Lockdown, "darüber kann man diskutieren, das war sicherlich die richtige Entscheidung", sagte Doskozil. "Was aber jetzt ein bisschen fehlt, sind wirklich die Parameter Schritt für Schritt - (...) wie fahren wir koordiniert hoch?"

Das beste Beispiel sei für ihn der Schulbereich: "Der Gesundheitsminister sagt, die Risikogruppe ist so definiert. Der Unterrichtsminister sagt, die Risikogruppe ist so definiert. Warum dürfen oder sollen beispielsweise über 60-jährige Lehrer nicht unterrichten gehen?" fragt der Landeschef. "Jeder 60-jährige Polizist muss arbeiten, jeder 60-jährige Landesbedienstete, jede 60-jährige Erzieherin und jede 60-jährige Krankenschwester muss arbeiten. "Wir gehen jetzt her und sagen: Bei den Landeslehrern gilt diese Grenze nicht."

"Nur PR-Programm"

Bei den Videokonferenzen (des Bundes mit den Ländern, Anm.) oder bei den Pressekonferenzen, die stattfinden, "wird nur moderiert", nannte Doskozil einen weiteren Kritikpunkt. Er selbst nehme nicht mehr an der Videokonferenz teil. Es heiße bei den Konferenzen, "ja, ja es kommt ein Erlass. Aber es wird kein Inhalt transportiert. Es wird nur ein PR-Programm abadministriert mit den Medien. Zumindest die SPÖ-Landeshauptleute erfahren erst aus den Zeitungen, was kommt und was gemacht wird."

Erlässe und Verordnungen bekomme man "fünf Minuten vor Redaktionsschluss. Das ist kein fairer Umgang miteinander", betonte der Landeshauptmann. Man müsse auch die rechtliche Situation überlegen: "Die wenigsten wissen, dass der Bundeskanzler fachlich null Kompetenz und Zuständigkeit hat. Die hat der Gesundheitsminister in erster Linie, die hat der Unterrichtsminister, wenn es um die Schulen geht, die hat auch nicht der Innenminister. Der ist im Assistenzbereich tätig, sonst nirgends."

"Da wird aber großartig kommuniziert, da wird eine PR-Performance abgewickelt sondergleichen - und dann passiert so was wie im Kleinwalsertal", spielte Doskozil auf den Auftritt des Kanzlers mit einer Menschenmenge in Vorarlberg an. Den Leuten werde ein Bild vorgezeichnet, "man muss schauen, dass sie Angst haben. Und selbst als Bundeskanzler trete ich dann so auf? Das ist lächerlich."

"Was wir brauchen, ist wirklich ein klarer Plan - nicht einmal dort ein paar Almosen, dort ein paar Almosen, was passiert, sondern einen klaren Plan, wie kommen wir jetzt wieder zurück", stellte Doskozil fest. Im Burgenland habe er sofort nach seiner Rückkehr von besagter Besprechung im März den Krisenstab eingerichtet.

"Nur Empfehlungen"

Mit den Erlässen habe man improvisieren müssen: "Es kommen Empfehlungen von Bundesseite, die dann wieder nur Empfehlungen sind. Da muss man schauen, wie geht man im Land damit um. Mir wäre oft lieber in solchen Situationen, dass es einen gibt, der anschafft - dann wird umgesetzt. Mir gibt es in der Gesamtschau zu viele Köche." Das Beispiel zeige, "dass es in den Ablaufstrukturen, in der Krisenkommunikation, in den Vorgaben in einer Krise keine klare Zuständigkeit gibt und keine klare, einheitliche Meinung. Das ist ein Defizit."

Die Frage, ob er das Verbot zum Betreten der Seebäder nochmals so erlassen würde, beantwortete der Landeshauptmann mit einer "Gegenfrage an die Medienvertreter: Hat sich irgendwer beschwert, dass nur vier Leute zu einem Begräbnis gehen dürfen, wenn am Zentralfriedhof, wo eine Eigenjagd stattfindet, ein riesiges Areal ist? (...) Da hat es keinen Aufschrei gegeben."

Gleichzeitig habe man im Burgenland die bereits bestehende Verordnung des Bundes gelockert und habe nicht komplett am See aufgemacht: "Vorher war es (das Betreten von Seebädern, Stegen, Seehütten und Hafenanlagen, Anm.) ja komplett verboten." Aus seiner Sicht gebe es viele Bereiche, die man nachher rechtlich diskutieren könne. "Aber in so einer Situation muss entschieden werden."

Er sei selbst Jurist. Unter dem Aspekt der Güterabwägung und der Interessensabwägung sei für ihn Gesundheit "ein viel, viel höheres Gut als das Gut, ob ich spazieren gehen darf. Punkt. (...) Das kann man rechtlich immer argumentieren."

Der Bund habe vorher auch "eine Ausgangssperre" gemacht. Darüber werde noch gestritten werden, ob der Bund überhaupt die Kompetenz dazu gehabt habe. "Plötzlich macht das ein SPÖ-Politiker im Burgenland, ist es das Drama. Wenn das in Niederösterreich passiert am Schotterteich, ist das wurscht."