Wegen der sinkenden Zahl von Corona-Infektionen beidseits der Grenze könnten die Beschränkungen "nicht mehr mit Gesundheitsschutz begründet werden", schrieben die zwölf Abgeordneten des Bundestags und der französischen Nationalversammlung in dem Aufruf, der AFP am Samstag vorlag. Die Grenzübergänge müssten "unverzüglich" wieder geöffnet werden. "Das kann keinen Tag länger dauern!"

Die Beschränkungen beim Grenzübertritt zwischen Deutschland und Frankreich "trennen nun wie ein künstlicher Schnitt, was Jahrzehnte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geschaffen haben", schreiben die Abgeordneten, die dem Vorstand der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung angehören. "Die Maßnahmen bringen immense Probleme mit sich und führen zu inakzeptablen menschlichen Härten", kritisieren sie. Sie führten zu "inakzeptablen Zumutungen im Alltag der Bürgerinnen und Bürger" und seien für die Betroffenen "mehr als grenzwertig". Die Grenzübergänge müssten sofort wieder geöffnet werden, und die verschärften Maßnahmen dürften nach ihrem Auslaufen am 15. Mai keinesfalls verlängert werden.

"Das Virus ist überall und das Risiko auch"

In den vergangenen Tagen hatten sich die Rufe nach einem Ende der Grenzbeschränkungen verschärft; der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte aber klar gemacht, dass er vor dem 15. Mai keine Lockerungen der Bestimmungen akzeptieren will.

Die deutschen und französischen Parlamentarier argumentierten, dass die Grenzbeschränkungen für die Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht mehr nötig seien. "Das Virus ist überall und das Risiko auch", schreiben sie. Nötig sei nun die "Ausarbeitung grenzüberschreitender Pandemie-Strategien".

Gezeichnet wurde der Aufruf unter anderem von Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU), dem SPD-Außenpolitiker Nils Schmid und der Grünen-Abgeordneten Franziska Brantner. Von französischer Seite unterschrieben unter anderem die Abgeordneten Christophe Arend, Sylvain Waserman und Antoine Herth, die grenznahe Wahlkreise in der Nationalversammlung vertreten.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet forderte ebenfalls eine rasche Öffnung der Grenze zu Frankreich. "Wir brauchen dringend eine Öffnung der Grenze zu Frankreich", sagte der CDU-Politiker der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Samstagsausgabe): "Dort endet der Lockdown am 11. Mai - das wäre ein guter Zeitpunkt unseren Nachbarn zu signalisieren, dass wir eine gemeinsame europäische Antwort bei der Pandemiebekämpfung anstreben."

Die deutsche Regierung müsse "in diesem Sinne auch mit Österreich reden". Aus seiner Sicht waren "die vergangenen Wochen zu sehr nationalstaatlich und zu wenig europäisch geprägt".

"Triftigen Reisegrund"

Die Grenzkontrollen waren erstmals Mitte März angeordnet und dann verlängert worden, um die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland zu verlangsamen. Menschen, die weder Deutsche noch dauerhaft hier ansässig sind, dürfen seither nur noch aus einem "triftigen Reisegrund" nach Deutschland kommen. Am Freitag hatten bereits der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und seine rheinland-pfälzische Kollegin Malu Dreyer eine schnelle Öffnung gefordert.

In Frankreich werden am Montag die Kontaktbeschränkungen gelockert. Die Bürger dürfen sich dann wieder in einem größeren Radius bewegen.

Die Grenzkontrollen waren erstmals Mitte März angeordnet und dann verlängert worden, um die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland zu verlangsamen. Menschen, die weder Deutsche noch dauerhaft hier ansässig sind, dürfen seither nur noch aus einem "triftigen Reisegrund" nach Deutschland kommen.

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kritisierte die Kontrollen ebenfalls. Auch die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, kritisierte die Grenzkontrollen. "Wenn deutsche Bundespolizisten heute wieder bewaffnet an den Grenzen stehen, wo im Zweiten Weltkrieg gekämpft wurde, ist das ein schlimmes Zeichen. Das richtet massiven Schaden im Verhältnis zu unseren Nachbarn an", sagte die SPD-Politikerin der "Passauer Neuen Presse" (Samstagsausgabe).

Der Generalsekretär der Bayern-FDP, Lukas Köhler, erklärte: "Die Grenzschließungen sind unverhältnismäßig, selektiv und ihr Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist mehr als fraglich." Er sieht vor allem Seehofer in der Pflicht: "Das Schließen unserer Grenzen ist nicht mehr als Placebo-Politik und gehört abgeschafft."

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwartet das Ende der corona-bedingten Grenzschließung mit Deutschland noch vor dem Sommer. "Ich bin optimistisch, dass wir mit Deutschland in den nächsten Wochen eine Lösung finden", sagte Kurz am Freitag vor Journalisten in Wien. Beide Länder hätten aktuell sehr niedrige Covid-19-Neuinfektionszahlen.

Es gebe auch "enge Gespräche" mit der EU-Kommission, um "faire Regeln" für die Grenzöffnungen zu schaffen, so Kurz. Eine Einigung werde es geben, "sobald Deutschland dazu bereit ist". Der Kanzler verwies auf die starke Verzahnung der deutschen und österreichischen Industrie.