Nach fast sieben Wochen Corona-Shutdown konnte man am 1. Mai wieder sporteln und ab Samstag öffnen wieder Einkaufszentren, Friseure sowie alle Geschäfte mit über 400 Quadratmetern Verkaufsfläche. Eingekauft werden muss freilich mit Mund-Nasen-Schutz und dementsprechenden Abstand.Erst am späten Donnerstagabend wurden die "COVID-19-Lockerungsverordnung" - so der offizielle Titel - veröffentlicht. Erlaubt werden nun öffentliche Veranstaltungen mit maximal zehn Teilnehmern. Andere sind untersagt: Das gilt für kulturelle Veranstaltungen, Sportveranstaltungen, Hochzeiten, Filmvorführungen, Ausstellungen und Kongresse. Bei Begräbnissen dürfen 30 Trauernde anwesend sein. Auch Breitensport ist grundsätzlich wieder erlaubt. Als Grundvoraussetzung gilt, dass zwischen allen Sportlern ein Abstand von mindestens zwei Metern eingehalten werden soll.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht den Mai als "Monat der Entscheidung" in der Coronakrise. Mit den größeren Öffnungsschritten mit der weitgehenden Zurücknahme der Ausgangsbeschränkungen gehe auch eine "große Aufmerksamkeit der Gesundheitsbehörden" einher, hieß es aus dem Ministerium. "Niemand in Europa hat damit Erfahrung und auch einzelne Länder Asiens hatten auf diesem Weg große Schwierigkeiten", betonte Anschober am Freitag. "Falls uns dies ohne starke Zuwächse bei den Erkrankungszahlen gelingt, dann wäre dies der vorentscheidende Fortschritt zurück zum Alltag."

Die Anzahl an aktuell mit dem Coronavirus erkrankten Österreichern ging am Freitag auf 1.862 Personen zurück. Dies waren laut den Angaben des Gesundheitsministeriums (Stand 9.30 Uhr) 99 weniger als noch am Vortag. Die Zahl der Neuerkrankungen mit Covid-19 lag damit im 24-Stunden-Vergleich mit minus fünf Prozent unter dem Schnitt der vergangenen vier Tage (minus 5,8 Prozent).

Knapp 50 Prozent der insgesamt verzeichneten Neuinfektionen (79 Fälle) betrafen allerdings Wien (39), knapp 37 Prozent Niederösterreich (29). Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erneuerte sein Angebot an die Gesundheitsbehörden der Bundeshauptstadt, Unterstützung durch das Landeskriminalamt zu bieten. "In anderen Bundesländern haben wir gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden bereits in rund 1.000 Fällen bei der Feststellung von Infektionsketten mitgewirkt, um das Virus rasch einzudämmen", betonte Nehammer.

124 Menschen lagen mit Stand Freitagfrüh auf Intensivstationen, das waren um vier weniger als am Donnerstag. Die meisten davon sind mit 37 Patienten in Niederösterreichs Spitälern zu finden, in dieser Statistik folgen Tirol (27) und Wien (22). Insgesamt 472 Österreicher sind hospitalisiert. Einen "milden Verlauf" einer Erkrankung attestierte das Innenministerium knapp 74 Prozent der Infizierten. Österreichweit sind bisher 589 Personen an oder mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Die meisten Todesopfer gab es mit 131 in Wien, gefolgt von 130 in der Steiermark. 13.092 Menschen sind indes bundesweit inzwischen wieder genesen, wie etwa der erste Covid-19-Patient in Wien. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker berichtete am Freitag, dass es dem Anwalt, der wochenlang auf der Intensivstation und nicht ansprechbar war, wieder "prächtig" gehe. Der 74-Jährige wurde Ende Februar positiv auf das Virus getestet und ins Kaiser-Franz-Josefspital verlegt.

Anschober sprach von "stabilen Zahlen", meinte aber auch: "Die Krise ist leider lange noch nicht beendet." Es gelte weiter, die gefällten Grundregeln wie Mindestabstand und Hygienebestimmungen auch in der zweiten Phase der schrittweisen gesicherten Rückkehr in den Alltag einzuhalten. Der Minister appellierte an die Österreicher: "Wir alle bestimmen mit unserem Verhalten über die Rückkehr zum Alltag, jede und jeder übernimmt jetzt Eigenverantwortung."

Die Politik nutzte den 1. Mai, die in der Coronakrise geforderten Bevölkerungsgruppen zu würdigen. Nehammer dankte den Polizeibeamten für ihren Einsatz, Justizministerin Alma Zadic (Grüne) der Justizwache und der Strafjustiz. Die Krise sei noch nicht ausgestanden, das Virus noch nicht besiegt, "aber wir können es schaffen, wenn wir auf allen Ebenen zusammenarbeiten", meinte Zadic. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bedankte sich bei den Lebensmittelproduzenten. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) würdigte den "außerordentlichen Einsatz" der - vorwiegend weiblichen - in der Pflege Tätigen.

Strikte Ausgangssperre wird deshalb gelockert

Diskussionen über Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus gibt es weltweit. Wie weit die Länder diesen Schritt gehen, ist unterschiedlich. In Spanien gehen die Infektionszahlen im ganzen Land seit Wochen stetig zurück. Die strikte Ausgangssperre wird deshalb gelockert. Ab Samstag darf man erstmals nach sieben Wochen wieder spazieren gehen oder im Freien Sport treiben. Mit einem Vier-Phasen-Plan soll Ende Juni eine "neue Normalität" erreicht werden.

Auch in Italien werden die seit fast zwei Monaten geltenden strengen Ausgangssperren gelockert. Ab Montag dürfen die Menschen wieder sporteln oder zum Spazierengehen nach draußen. Die meisten Geschäfte müssen allerdings noch geschlossen bleiben. Restaurants und Bars dürfen nur einen Lieferservice anbieten und bleiben bis Juni weiter zu. In Frankreich sollen die Ausgangsbeschränkungen ab 11. Mai schrittweise gelockert werden. Mit einer raschen Rückkehr zum normalen Leben wird aber nicht gerechnet.

Zahl der Besucher wurde stark begrenzt

China, wo das Virus Ende Dezember seinen Ausgangspunkt hatte, ist da schon einen Schritt weiter. Mehr als drei Monate nach der Schließung wegen des Ausbruchs sind der Kaiserpalast in Peking und die Große Mauer wieder für Besucher geöffnet worden. Auch Parks und Museen öffneten am Freitag ihre Tore. Die Zahl der Besucher wurde stark begrenzt. Städtische Parks erlauben nur 30 Prozent der üblichen Besucherzahlen.

Auseinandersetzen muss sich China weiter mit Angriffen aus den USA. US-Präsident Donald Trump drohte mit neuen Strafzöllen. Ihm lägen Informationen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass das Coronavirus aus einem Labor in Wuhan stamme, sagte Trump im Weißen Haus.

Störungsfreie Mayday-Demo mit Masken in Wien

Störungsfrei ist am Freitag auch der Mayday-Demonstrationszug über die Wiener Ringstraße marschiert. Die gut 500 Manifestanten machten sich für bekannte linkspolitische Anliegen wie das bedingungslose Grundeinkommen stark und zogen quasi ausnahmslos maskiert durch die Innenstadt. Die Polizei sprach von mehreren hundert Teilnehmern. Die Versammlung sollte bis in die Abendstunden dauern.

Gegen 13.30 Uhr setze sich der Zug vom Praterstern in Bewegung, um 15.15 Uhr hatte die Menge über Praterstern und Ring den Rathausplatz erreicht. Geachtet wurde stets darauf, dass der Ein-Meter-Abstand zu unbekannten, haushaltsfremden Personen eingehalten wird.

Schon vor der Demonstration wurden die offiziellen Forderungen verlesen. Erwähnt wurde unter anderem ein besserer Ansteckungsschutz für Personen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, und Solidarität mit jenen, die durch die Coronakrise noch mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt seien, wie Geflüchtete und Sexarbeiterinnen. "Leave No One Behind" (Lasst niemanden zurück) war auf mehreren Schildern zu lesen.

Viele waren mit Rädern unterwegs. Die Polizei gab Geleitschutz und hielt sich im Hintergrund. Von Anzeigen war bei der Landespolizeidirektion vorerst nichts bekannt. Die Ringstraße war für Pkw und öffentliche Verkehrsmittel ab dem frühen Nachmittag teilweise gesperrt.