Brasilien sei aktuell von der schwersten Gesundheitskrise der jüngeren Zeit betroffen, zugleich drohe die "Rückkehr in die dunklen Zeiten der Diktatur": Mit diesen drastischen Worten hat sich der Vorstand der Brasilianischen Bischofskonferenz (CNBB) an die Öffentlichkeit gewandt. Das Gesundheitssystem des südamerikanischen Landes sei aktuell "bereits in die Phase des Zusammenbruchs eingetreten".

Kritik übten die Bischöfe auch an gewalttätigen Demonstrationen gegen Anti-Corona-Maßnahmen sowie an "verachtenden Aussagen" von Politikern über den Tod Tausender Brasilianer an Covid-19. Es sei nun an der Zeit für eine "Haltungen des Friedens, des Glaubens und der Hoffnung, der Achtung der Gesetze und der Demokratie", appellierten die Bischöfe laut Kathpress.

Die brasilianische Gesellschaft, wie auch die Verantwortlichen der öffentlichen Behörden müssten sich "von den tödlichen Viren der Zwietracht, der Gewalt und des Hasses befreien", forderte die Bischofskonferenz. Politiker müssten nun die Prävention und Bekämpfung von Covid-19, "zum Schutz des Lebens, insbesondere des Lebens der Ärmsten und Verletzlichsten" vorantreiben.

Leben in Fülle

Die Sorge um die Gesundheit der Menschen widerspreche dabei nicht den Interessen der Wirtschaft, argumentierte die CNBB. Beide seien für ein "Leben in Fülle" wichtig, jedoch stehe die Wirtschaft aus der Perspektive der Soziallehre der Kirche auch "im Dienst des Lebens". Zuvor hatten christliche Kritiker kritisiert, dass die Priorität der Regierung unter dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro bei Banken und Großunternehmern liege, nicht jedoch bei der Bekämpfung des Coronavirus.

Die aktuelle Politik Brasiliens greife die "verfassungsmäßige Ordnung an"; als Beispiele nannten die Kirchenvertreter u.a. die Schließung des Nationalkongresses (Parlament) und des Obersten Gerichts unter Beteiligung der öffentlichen Behörden. Bolsonaro wird von den Bischöfen dabei zwar nicht wörtlich genannt, jedoch verweisen sie in ihrem Brief jedoch auf politische Ereignisse der letzten Woche, etwa eine Demonstration in Brasilia, bei der zuletzt ein Militärputsch sowie die Schließung des Kongresses und des Obersten Gerichts gefordert wurden. Präsident Bolsonaro hatte selbst an der Demonstration teilgenommen. Von den "Garanten der Rechtsstaatlichkeit" würden die Bischöfe nun erwarten, "dass sie diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die die demokratische Ordnung verletzen".

Die Situation sei "äußerst schwierig, was die wirksame Ausübung von Solidarität und Nächstenliebe erfordert", betonte die CNBB. Die Bischöfe bekräftigten damit auch ihre Unterstützung für die zivilgesellschaftliche Erklärung "Pakt für das Leben und für Brasilien", die inzwischen von 150 Institutionen unterzeichnet wurde. Es sei die "Stunde der Wahrheit" gekommen.

Rasant steigend

Brasilien hat bereits mehr an die 6.000 Corona-Todesopfer, Tendenz rasant steigend. Den moderaten Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta hat Bolsonaro entlassen, weil dieser sich für Ausgangsbeschränkungen einsetzte. Im politischen Chaos des Landes trat zuletzt auch Justizminister Sergio Moro unter schweren Anschuldigungen gegen Bolsonaro zurück. Der Präsident versuche, Ermittlungen gegen sich und seine Söhne zu stoppen, so Moros Vorwurf, den Bolsonaro zurückweist. Zuvor hatte der Präsident den Leiter der brasilianischen Bundespolizei entlassen, der aber dem Justizministerium untersteht.

In Brasilien gab es mit stand Freitag (1. Mai 2020) circa 87.100 bestätigte Coronavirus-Erkrankungen, davon 5.789 neu infizierte; mehr als 6.000 Menschen sind bisher an der Covid-19-Infektion verstorben, womit das größte Land Lateinamerikas auch das in absoluten Zahlen am meisten von der Krise betroffene Land Lateinamerikas ist. Laut der US-amerikanischen Johns-Hopkins-Universität liegt Brasilien derzeit mit der Zahl der Infizierten und Todesopfer durch COVID-19 weltweit auf Platz 9.