31 Tote binnen weniger Wochen: Das ist die tragische Bilanz in einem kanadischen Seniorenheim, nachdem fast alle Pflegekräfte die Einrichtung aus Angst vor einer Ausbreitung des Coronavirus fluchtartig verlassen hatten. Gesundheitsbehörden fanden die Menschen in dem Heim in Dorval bei Montreal erst Tage später vor - viele der Überlebenden dehydriert, unterernährt und teilnahmslos.

Zwei Todesfälle blieben tagelang unbemerkt. Der Premierminister von Quebec, Francois Legault, kündigte Ermittlungen wegen grober Fahrlässigkeit an. Nach Legaults Angaben waren am Ende nur noch zwei Pflegekräfte in dem Heim, um die insgesamt 130 Bewohner zu versorgen.

Offiziellen Angaben zufolge starben mindestens fünf Heimbewohner an der vom Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19. Der Todesursache der weiteren 26 Fälle geht nun ein Gerichtsmediziner nach.

In kanadischen Medien ist das "Horror-Altersheim" in Dorval bereits zum Symbol der Corona-Krise geworden. Die Hälfte aller knapp 1.300 Corona-Todesfälle in Kanada trat in Langzeit-Pflegeheimen auf.

Totenzahl in britischen Heimen vermutlich deutlich höher

Die Zahl der Corona-Toten in britischen Pflegeheimen könnte nach Schätzungen eines Branchenverbands fünf Mal höher sein als angenommen. Schätzungen zufolge könnten seit Anfang April bis zu 7.500 Heimbewohner an dem Virus gestorben sein, sagte Martin Green, Geschäftsführer des Branchenverbands "Care England" der Zeitung "Daily Telegraph" am Samstag.

Der Verband hat Green zufolge die Sterblichkeitsrate in den Heimen seit dem 1. April mit der vom Vorjahr verglichen und leitet daraus die Schätzung ab. Die Regierung schätzt dagegen, dass bisher 1.400 Menschen in Pflegeheimen starben.

Zu den neuen Berechnungen von "Care England" sagte Caroline Abrahams vom Wohlfahrtsverband "Age UK": "Dies ist eine schockierende und schlichtweg herzzerreißende Schätzung, die jedem, der einen geliebten Menschen in einem Pflegeheim hat, einen Schauer über den Rücken laufen lässt."

Vertreter von Pflegeheimen werfen der britischen Regierung schon lange einen "chaotischen" Umgang mit den Einrichtungen in der Pandemie vor. Insbesondere die Lieferung von Schutzausrüstung verlaufe "planlos", kritisierten Pflegeheimleiter.

Untersuchungen in Tiroler Heim

In Tirol hat die Staatsanwaltschaft wegen der Ausbreitung des Coronavirus ein Verfahren im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Zams aufgenommen. Zuvor hatte es geheißen, dass in einem Altersheim in Zams geprüft werde, ob auf dementsprechende Warnhinweise nicht rechtzeitig reagierte wurde. Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft korrigierte ihre Angaben am Samstag gegenüber der APA.

In dem Ordenshaus werde nun der Frage nachgegangen, ob ein Fehlverhalten stattgefunden hatte. Es werde ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter geführt, sagte Staatsanwaltssprecher Hansjörg Mayr. Außerdem wurde einer Pflegerin in einem Pflegeheim im Tiroler Unterland vorgeworfen, dass sie trotz positiver Corona-Infektion weiter arbeiten gegangen sei. Es werde wegen vorsätzlicher Gefährdung durch übertragbare Krankheiten ermittelt, sagte Mayr.

Ende März waren bei den Barmherzigen Schwestern in Zams 39 Corona-Infektionen bekannt geworden. Es hatte sich herausgestellt, dass drei Mitarbeiterinnen im Pflege- und Reinigungsbereich nebenberuflich bis 7. März auch als Aufräumerinnen in Beherbergungsbetrieben in Ischgl und St. Anton tätig waren. Das Ordenshaus räumte daraufhin "Fehleinschätzungen auf Seiten der auf der Pflegestation aktiven Kräfte" ein. Man dachte, dass die Mitarbeiterinnen sich nicht freiwillig isolieren müssten, da sie eben seit 7. März nicht mehr in den betroffenen Gebieten waren. Das Land hatte aber am 15. März dazu aufgerufen, dass sich alle, die sich seit 28. Februar dort aufgehalten hatten, isolieren sollten.

7000 Tote seit Februar in Italiens Altersheimen

Zwischen 6.000 und 7.000 Bewohner italienischer Altersheim sind seit dem 1. Februar verstorben. Covid-19-Symptome wurden bei 40 Prozent festgestellt. Es sei jedoch schwierig zwischen normaler Grippe und Covid-19 zu unterscheiden, so Italiens Oberstes Gesundheitsinstitut ISS.

Die Todesfälle entsprechen sieben Prozent aller Senioren, die in italienischen Altersheimen leben - circa 80.000 Menschen. In den norditalienischen Heimen wurden circa tausend Senioren positiv auf Coronavirus getestet. Die Gesundheitsbehörden beklagten den Mangel von Schutzmaterial in den Heimen, zudem seien zu wenig Abstriche durchgeführt worden.

Angesichts der hohen Zahl hat die Polizei diese Woche mit ausgedehnten Kontrollen in den Senioreneinrichtungen begonnen. 600 Altersheime wurden bisher von den Carabinieri kontrolliert, bei 17 Prozent davon wurden Mängel festgestellt, vor allem bei der Lieferung von Schutzmaterial an das Personal. 15 Heime wurden geschlossen und die Bewohner in andere Einrichtungen gebracht. Bei den Kontrollen wurden 61 Personen angezeigt, gegen 157 weitere wurden Strafen verhängt.

Die Ermittlungen konzentrieren sich auf Mailands größtes Seniorenheim "Pio Albergo Trivulzio". Hier sind seit März 143 Senioren gestorben. Schon Anfang März hatten sich die Gewerkschaften bei der Leitung der Einrichtung beschwert, weil dem Personal kein Schutzmaterial geliefert wurde. Angehörige der Toten und Mitarbeiter des Heims hatten Anzeige erstattet, weil Sicherheitsvorkehrungen ignoriert worden sein dürften. Gegen den Direktor der Einrichtung wurden Ermittlungen eingeleitet.