Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die strengen Ausgangsbeschränkungen im Kampf gegen Covid-19 bis zum 11. Mai verlängert. Es gebe Hoffnung, sagte Macron am Montagabend in einer Fernsehansprache. Aber in der Region Grand Est oder im Großraum Paris seien die Krankenhäuser überlastet. Der Präsident bedankte sich bei allen, die sich an die Regeln halten.

Er wisse, dass dies noch schwieriger sei, wenn man in einer engen Wohnung lebe. Der 11. Mai als Ende der Ausgangsbeschränkungen sei aber nur möglich, wenn sich die Menschen weiter verantwortungsbewusst verhalten, warnte Macron.

Neue Etappe ab 11. Mai

"Der 11. Mai wird der Beginn einer neuen Etappe sein", sagte Macron. Ab dann sollen Schulen und Kindergärten schrittweise wieder öffnen. Restaurants, Cafés oder Hotels sollen aber zunächst geschlossen bleiben. Auch Senioren oder chronisch Kranke sollen dann weiterhin zu Hause bleiben. Ab dem 11. Mai solle es genug Kapazitäten geben, um alle Menschen mit Symptomen zu testen. Wer das Virus hat, solle dann in Quarantäne. Macron sprach sich auch für eine anonyme Anti-Corona-App auf freiwilliger Basis aus.

Die strengen Regeln gelten bereits seit dem 17. März und wurden schon einmal verlängert. Die Französinnen und Franzosen dürfen nur das Haus verlassen, wenn es unbedingt nötig ist. Spaziergänge, Gassigehen oder Sport sind nur eine Stunde pro Tag im Radius von einem Kilometer zur Wohnung erlaubt.

Zudem  bedankte sich der Präsident bei den europäischen Ländern Österreich, Deutschland, Schweiz und Luxemburg für die Aufnahme französischer Akutpatienten.

Macron fordert Merkel heraus

Macron will in der Corona-Krise mehr Mut und Ehrgeiz von seinen EU-Partnern sehen. Für Europa sei die Pandemie mit Zehntausenden Toten ein "Augenblick der Wahrheit" und ein "Augenblick der neuen Grundlage", sagte der französische Staatschef in der TV-Ansprache.

"Ich werde versuchen, uns in Europa Gehör zu verschaffen, um mehr Einheit und Solidarität zu haben", lautet das Credo des 42-Jährigen. Der Appell Macrons hat für den Süden Europas eine besondere Bedeutung. Frankreich gehört wie Italien und Spanien zu den Ländern, die in der Krise für eine gemeinsame europäische Schuldenaufnahme über die sogenannten Corona-Bonds eintreten. Für Deutschland und die Niederlande ist das Thema von Gemeinschaftsanleihen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Kontinents aber tabu.

Macron ging zwar in seiner Rede nicht explizit auf diesen Streit ein. Doch die Botschaft für Berlin ist klar: Der Herr des Élyséepalastes wird mit seinem wichtigsten EU-Partner weiter sein Konzept der "fruchtbaren Konfrontation" verfolgen. Neben Kompromissen und Gemeinsamkeiten gibt es Meinungsunterschiede, die auch offen benannt werden.

Beim bereits geschnürten Rettungspaket der Europäer von mehr als 500 Milliarden Euro zogen Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel an einem Strang und vermittelten hinter den Kulissen. Die Verhandlungen der Finanzminister waren lang und zäh - und es kam auf die Achse Berlin-Paris an. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire meinte, die beiden EU-Kernländer hätten eine bedeutende Rolle gespielt und sich von Anfang an geeint gezeigt.

Der stotternde deutsch-französische Motor springt also angesichts der gewaltigen Krise wieder an. In der Pariser Machtzentrale werden für die Runde der EU-Staats- und Regierungschefs gemeinsame Vorschläge mit Berlin in Aussicht gestellt. Dabei geht es dem Vernehmen nach um eine stärkere industrielle Eigenständigkeit Europas, beispielsweise bei der Herstellung von Medikamenten. Für die stolzen Franzosen war es eine niederschmetternde Erfahrung, auf eine Luftbrücke mit Schutzmasken aus China angewiesen zu sein.

Einen gemeinsamen Anlauf soll es auch geben beim milliardenschweren, über mehrere Jahre hinweg laufenden Gemeinschaftsbudget, auf das sich die Europäer bisher nicht einigen konnten. "Die deutsch-französische Arbeit hält nicht an", heißt es aus dem Élyséepalast.

Keine Harmonie

Doch mit Macron, der innenpolitisch unter Druck steht und Erfolge vorweisen muss, gibt es keine Harmonie. Der impulsive Franzose, der vor knapp drei Jahren quasi aus dem Nichts an die Macht kam, liebt die Provokation. Vor zwei Jahren geißelte der einstige Investmentbanker bei der Entgegennahme des Karlspreises in Aachen mit Blick auf Deutschland einen "Fetischismus" für Budget- und Handelsüberschüsse.

Macron sorgte für richtige Verärgerung bei Merkel & Co., als er Ende vergangenen Jahres die EU-Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien blockierte - Merkel wollte den beiden Ländern zumindest eine entsprechende Perspektive eröffnen, damit sie nicht so leicht dem Werben der mächtigen Chinesen oder der Russen nachgeben. Als dann der mächtigste Franzose die einflussreiche Militärallianz NATO als "hirntod" abqualifizierte, distanzierte sich Merkel sogar öffentlich von dieser Einschätzung.

Spiel mit dem Feuer

Macron spielt nun wieder mit dem Feuer. Der einstige Senkrechtstarter habe sich mit den Befürwortern von Corona-Bonds zu einer Koalition verbündet, die gegen Merkel gerichtet sei, kommentierte die Zeitschrift "Le Point". Das sei riskant - schon der konservative Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy, der von 2007 bis 2012 regierte, und der glücklose Sozialist François Hollande, der von 2012 bis 2017 die Fäden in der Hand hielt, hätten sich bei ähnlichen Unterfangen verhoben.

Die Niederlande und Deutschland dürften bei den Corona-Bonds auf ihrer Ablehnung beharren - Berlin sicher auch deshalb, weil Merkel und auch Finanzminister Olaf Scholz klar sein dürfte, dass die dafür nötige Mehrheit im Bundestag sehr sicher an einem überwältigenden Nein aus der Unionsfraktion scheitern würde.

Paris sieht es schon im europäischen Poker um Macht und Einfluss schon als Erfolg an, dass der Streit um eine gemeinsame Schuldenpolitik nicht im Keim erstickt wurde. "Die Debatte geht weiter", heißt es etwas trotzig aus dem Élyséepalast.

Die nächste Etappe steht schon fest: Der Video-Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag kommender Woche (23. April). Dann dürfte Macron auch den Vorstoß präsentieren, Nachbarn in Afrika im Kampf gegen die gefährliche Pandemie zu helfen und Schulden dieser Länder massiv zu streichen.

Frankreich hart getroffen

Frankreich ist von der Pandemie hart getroffen - bis Montag zählte das Land 14.967 Todesfälle. Am fünften Tag in Folge ist die Zahl der Menschen, die auf der Intensivstation behandelt werden, leicht rückläufig. Die Behörden sprechen von einem "hohen Plateau". Es ist Macrons dritte TV-Ansprache wegen des Coronavirus. Er begann diese am Montag um 20.02 Uhr, damit die Französinnen und Franzosen pünktlich um 20 Uhr wieder für das medizinische Personal klatschen können.

Großbritannien entscheidet am Donnerstag über Verlängerung

Die britische Regierung wollte die wegen der Coronavirus-Pandemie verhängte Ausgangssperre vorerst ebenfalls nicht lockern. Außenminister Dominic Raab, der den an Covid-19 erkrankten Premierminister Boris Johnson vertritt, sagte am Montag in London, trotz einiger "positiver" Entwicklungen sei der "Höhepunkt" der Virus-Ausbreitung in Großbritannien noch nicht erreicht.

Die britische Regierung muss bis Donnerstag über eine Verlängerung der seit 23. März geltenden Ausgangssperre entscheiden. Die Maßnahme galt zunächst für drei Wochen, ihre Verlängerung gilt als sehr wahrscheinlich.

In Deutschland sind bis Montagabend mindestens 126.600 Infektionen mit dem neuen Coronavirus registriert worden (Vortag Stand 20.15 Uhr: 124.100). Mindestens 2994 (Vortag Stand 20.15 Uhr: 2830) mit dem Erreger Sars-CoV-2 Infizierte sind den Angaben zufolge bisher bundesweit gestorben. Das geht aus einer Auswertung der Deutschen Presse-Agentur hervor, die die neuesten Zahlen der Bundesländer berücksichtigt.

Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts haben in Deutschland rund 64.300 Menschen die Infektion überstanden. Damit gelten etwa die Hälfte der bisher erfassten Infizierten inzwischen als genesen. Die tatsächliche Zahl dürfte noch weit darüber liegen - unter anderem, weil zahlreiche milde oder symptomlose Verläufe gar nicht durch Tests erfasst wurden.

Besonders hohe Infiziertenzahlen haben den Test-Statistiken zufolge Bayern mit mehr als 33.300 nachgewiesenen Fällen und mindestens 834 Toten, Nordrhein-Westfalen mit mehr als 26.900 Fällen und mindestens 613 Toten sowie Baden-Württemberg mit mehr als 24.800 bestätigten Fällen und mindestens 702 Toten. Gerechnet auf 100.000 Einwohner verzeichnet Bayern mit einem Wert von 254,9 die meisten Infektionen. Im Bundesschnitt waren es 152,3.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus zeigt sich unterdessen optimistisch, dass die USA ihre Zahlungen an die UN-Gesundheitsorganisation fortsetzen. US-Präsident Donald Trump hatte unlängst scharfe Kritik am Krisen-Management der WHO geübt und die umfangreiche finanzielle Unterstützung der USA infrage gestellt. Auf eine Reporter-Frage zu dieser Andeutung Trumps sagte der WHO-Chef: "Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und wir hoffen, dass das so bleibt." Mit Blick auf Überlegungen zu Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen in verschiedenen Ländern sagte Tedros, dass hier langsam und kontrolliert vorgegangen werden müsse. Maßgeblich sei der Schutz von Menschenleben.

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