Martin Wäg ist jemand, der in den seltenen Interviews, die er gibt, Worte mit Bedacht wählt, stets achtend auf ihre Wirkung in der Öffentlichkeit, die er von sich aus niemals sucht. Obwohl er oft Anlass dazu gehabt hätte – als Chef eines der traditionsreichsten Handelshäuser des Landes, von Kastner & Öhler. Der Sitz des Unternehmens, zu dem auch Gigasport gehört, befindet sich seit 147 Jahren im Herzen von Graz, die Standorte sind über Österreich verteilt. Von den mehr als 1900 Beschäftigten wurde niemand gekündigt, aber zur Kurzarbeit angemeldet.

Am Mittwoch hat Wäg mit seinem Paradigma gebrochen und die selbst auferlegte Zurückhaltung abgelegt, die man als Unternehmenspolitik pflegte wie den Löwen – das altbekannte, vielen lieb gewonnene Markenzeichen des Leitbetriebes.

Zu Mittag wandte sich Wäg mit einem aufrüttelnden Text an die Medien des Landes. Er kam über eine Agentur und war an die Bundesregierung adressiert. Ein zentraler Satz darin: „Wir liegen auf der Intensivstation.“ Der Befund gilt für das eigene Haus, aber eigentlich für alle in der Branche, die gerade keine lebensnotwendigen Güter zu verkaufen haben. 50 Prozent von ihnen, so Wäg, drohe die Insolvenz, wenn ihnen jetzt nicht schnell und unbürokratisch geholfen werde.

„Im österreichischen Handel pressiert es jetzt"

Ein Hilferuf und Appell, wie ihn seit Ausbruch der Coronakrise so drastisch niemand formuliert hat. Der Hilferuf eines Ertrinkenden.
Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung unterstreicht Wäg, er wolle das nicht als Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung verstanden wissen. Aber „im österreichischen Handel pressiert es jetzt. Denn der steht kurz vor dem Kollaps.“

Vor 14 Tagen war die Welt eine andere, eine heile aus der Sicht des Vorstandschefs. „Wir waren gut aufgestellt“, erklärt Wäg, der in den vergangenen Jahren das Haus auch fit getrimmt hat für den Wettbewerb gegen die wachsende Konkurrenz im Internet. Dann brach der Sturm los und Stille breitete sich aus – in den Geschäften. Seit zehn Tagen mache Kastner & Öhler „null Umsatz“. Anders gesagt, büße man jede Woche fünf Millionen Euro Umsatz ein. „Dafür reichen unsere Reserven nicht.“ Die von der Regierung versprochene Hilfe sei für viele Unternehmen in der Branche am Zuspätkommen, so Wäg. Ein Flächenbrand drohe. Die Händler haben nach wie vor Zahlungsverpflichtungen. Mit den Gehältern für die Angestellten müssen sie in Vorleistung gehen; das Geld für die Kurzarbeit kommt vom AMS frühestens nach 30 Tagen. Es seien Rechnungen von Lieferanten zu bezahlen. „Wir haben erst vor kurzem Waren in die Lager bekommen, zum Beispiel für Ostern, für den Sommer“, schildert Wäg. Dort liegen sie jetzt, zu einem erheblichen Teil nicht verkäuflich.

"Sonst ist es zu spät . . .“

Aktuell letzter Anker für das Schlachtschiff des stationären Handels ist der eigene Onlineshop. „Das läuft gar nicht so schlecht“, sagt Wäg, „aber es gleicht den Verlust bei Weitem nicht aus.“ Schnell eingreifen, unbürokratisch helfen – wie? Wäg präzisiert: „Sinnvoll wäre ein garantierter Rahmen von Geld, für den der Bund die Haftung übernimmt und der über die Banken bei den Betrieben ankommt.“ Im Moment dürfe aber nicht im Vordergrund stehen, wer zuständig sei, wie Regeln und Details der Finanzspritzen auszusehen haben. „Wenn jetzt ein Unternehmen einen Euro bekommt, der nicht zusteht, so soll man das im Nachhinein klären“, appelliert Wäg an die Regierung, jetzt auch Streuverluste in Kauf zu nehmen. „Die Hilfe muss bis Ende der Woche stehen, sonst ist es zu spät.“

"Hilfen müssen ab sofort zu fließen beginnen"

Ein Appell, der aus einigen Branchen zu hören ist. So betont Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank in der Steiermark, dass die von der Bundesregierung angekündigte Wirtschaftshilfe „ein wichtiges und starkes Zeichen für alle Betriebe“ sei. Ebenso wichtig sei es nun aber, dass diese Hilfen ab sofort zu fließen beginnen. „Wir hätten am liebsten schon gestern mit den Finanzierungen begonnen. Das Problem ist aber, dass die bundesweiten Vorgaben für die diversen Programme noch fehlen, ohne die die Unternehmen nicht zu den Geldern kommen“, sagt Schaller. „Wenn nicht rasch gehandelt wird, drohen viele Unternehmen auszutrocknen.“

Auch die Kärntner Banken fordern zügige Schritte von der Regierung für die Auszahlungen von Geld und üben heftige Kritik. „Die Regierung kündigt laufend Hilfen an, es gibt aber noch keine ausgearbeiteten Richtlinien dazu“, ärgert sich die Kärntner Sparkassen-Chefin Gabriele Semmelrock-Werzer für viele liquiditätsleidende Kunden, denen die Bank mit Stundungen hilft. „Bei Förderungen ist man im Status der Antragstellung.“

Auch Peter Gauper, Vorstandssprecher der Raiffeisen Landesbank Kärnten, appelliert eindringlich an die Regierung „für unbürokratische Lösungen bei den Förderungen. Bei AWS- und ÖHT-Förderungen kann man Anträge stellen, aber es gibt noch keine Auszahlungen“, beklagt er. Regularien der Banken sollten gelockert werden, dass sie zügig helfen können.

„Wo bleibt die Hilfe?“

Auch der steirische Gastronomie-Obmann Klaus Friedl zollt der Regierung für ihre Maßnahmen grundsätzlich Respekt, wie er betont. Er wirft im Namen von 6500 steirischen Gastronomiebetrieben aber die Frage auf: „Wo bleibt die Hilfe?“ Benötigt werden „nicht rückzahlbare Einmalzahlungen, die den Unternehmer entlasten könnten“. Denn die Lage sei „prekär und für viele aussichtslos, wenn die Situation noch länger anhält“.