"Unsere Kernkompetenz sind Wahlen. Wir können bisher auf 33 Präsidentschaftskampagnen zurückblicken!" Stolz schwingt in der Stimme Tal Hanans mit, besonders beim Nachsatz, dass man in 27 davon erfolgreich gewesen sei. Die Leute, die der Chef von "Team Jorge" für potenzielle Kunden hält, sind in Wirklichkeit drei Investigativjournalisten, die das Gespräch heimlich aufzeichnen. Sie gaben vor, einen Geschäftsmann mit Interessen in Afrika zu vertreten.
Laut den nun veröffentlichten Ergebnissen einer monatelangen Recherche legen Kunden (oft Regierungen in Schwellenländern oder Menschen, die an die Macht kommen wollen) 6 bis 15 Millionen Euro für eine größere Kampagne hin. Ehemalige Geheimdienstler und Militärs, die hinter dem "Team Jorge" stecken sollen, greifen demnach in einen prall gefüllten Werkzeugkasten.
Wie funktionierte das?
Für 50.000 Dollar könne man sich in ein Benutzerkonten hacken. Selbstbewusst demonstrierten sie das an einem kenianischen Politiker. Via Telegram versendeten sie eine Nachricht in dessen Namen. Allerdings hatten sie die Nachricht anschließend nur vom Handy des Absenders gelöscht, nicht aber vom Empfänger. Ein deutscher Journalist konnte diesen ausfindig machen und ließ sich die Nachricht vorlegen, womit der Eingriff bewiesen war. Dass man Gegner so leicht diskreditieren und unter Druck setzen kann, liegt auf der Hand. Man stelle sich etwa einen Politiker vor, der sich für Frauenrechte einsetzt, von dem dann frauenfeindliche Nachrichten auftauchen.
Für soziale Medien bewarb die Firma ihr Produkt Aims. Damit könne man eine Armee an Avataren mit vollständigen Identitäten erschaffen – samt Fotos und verifizierten Konten auf verschiedenen Plattformen. Scheinbar unabhängig agierend können diese emotionalisierende Fake News verbreiten und die Stimmung so beeinflussen. Sogar Unruhen könne man laut "Team Jorge" bestellen.
Nicht alle Behauptungen aus dem aufgezeichneten sechsstündigen Gespräch konnten verifiziert werden, doch vieles deckt sich mit realen Ereignissen überein.
Hinter den Recherchen steckt das in Paris ansässige Recherchekonsortium Forbidden Stories ("Verbotene Geschichten"). Das hat es sich zur Aufgabe gemacht, Recherchen von getöteten Journalisten weiterzuverfolgen. Ein solcher Fall führte sie zum Thema Fake News. Etwa 100 Investigativjournalistinnen und -journalisten aus 30 Redaktionen und 21 Ländern wirkten an den umfassenden Recherchen mit. Mit dem "Standard" waren auch Österreicher vertreten.
"Team Jorge" soll auch Kontakte zu Cambridge Analytica gepflegt haben – jener Firma, die via Social Media den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 massiv zugunsten Donald Trumps beeinflusste.
Die Journalisten vermuten, dass es zahlreiche weitere Geheimfirmen mit einem ähnlichen Geschäftsmodell gibt.