Islands Behörden schalten wieder in den Alarmmodus: Aus der Nähe von Grindavík im Südwesten der Insel im fernen Nordatlantik wurde ein heftiges Erdbeben gemeldet. Die isländische Wetterbehörde sprach von einer Stärke von 5,4 – und das nur rund 50 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Reykjavik. Zu spüren waren die Erschütterungen in der gesamten Region rund um die Halbinsel Reykjanes. Das automatische Aufzeichnungssystem erfasste seit Sonntag insgesamt um die 6000 Erschütterungen.

Auf der aus Vulkanismus geborenen Insel, an der sowohl die nordamerikanische als auch die eurasische Platte zerren, werden Erinnerungen an das Jahr 2021 wach: In dem nun betroffenen Gebiet hatte es damals einen monatelangen Ausbruch des Vulkans Fagradalsfjall gegeben, der sich mit einer starken Erdbebenserie angekündigt hatte. Die spektakulären Lavaströme beschäftigten die Forscher und zogen nicht zuletzt viele "Vulkan-Touristen" an – trotz aller Warnungen der Behörden.



Geologe und Vulkanexperte Jón Frímann gibt im Interview mit der Kleinen Zeitung seine Einschätzung: "Die aktuelle Erdbebenaktivität ist jener vom letzten Jahr sehr ähnlich, der Grund ist derselbe: Magma bahnt sich einen Weg in die Kruste bzw. übt dort, wo am Sonntag das große Erdbeben stattfand (östlich der Stadt Grindavík, Anmerkung) enormen Druck auf diese aus. So gesehen: Ja, ich denke, dass es eine Eruption geben wird." Weitere Erdbeben seien nun laut Frímann ohnehin zu erwarten, und zwar, "bis ein solcher Ausbruch beginnt – oder der Magmagang einmal aufhört, sich aufzublähen."

Thorvaldur Thórdarson, ein führender isländischer Vulkanologe, bestätigt, dass sich die Isländer auf eine kräftige Eruption auf der Halbinsel einstellen sollten – möglicherweise bereits in den nächsten Monaten. Die ungewöhnliche Anhäufung von Erdbeben ließ jetzt auch den Zivilschutz aktiv werden – eine erste Warnstufe wurde ausgerufen: Das bedeutet, dass Menschen aufgefordert werden, lose Gegenstände in ihren Häusern zu sichern. Das "Icelandic Met Office" warnt die Menschen vor möglichen Felsrutschungen von steilen Hängen und abbrechenden Meeresklippen. Nicht zu vergessen ist, dass sich in dem Gebiet der Flughafen Keflavik befindet, über den fast der gesamte internationale Flugverkehr zur und von der Insel abgewickelt wird.

Wie es auf der weltgrößten Vulkaninsel nordöstlich des Vulkans Fagradalsfjall weitergeht, ist offen – klar ist für Geologe Frímann aber: "Das große Erdbeben ereignete sich jetzt im Spannungsbereich der Magma-'Ganginjektion' in die Kruste. In diesem Teil von Island kann es deshalb ohne große Vorwarnung massive Erdstöße geben."

Wie schon mehrmals in der jüngeren Vergangenheit, werden Erinnerungen an den Vulkan Eyjafjallajökull (sprich: eja-fjattla-jökütt) und das Jahr 2010 wach: Dieser brachte mit seiner riesigen Aschewolke den Flugverkehr in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas über Wochen zum Erliegen. Die Eruptionssäule stieg damals bis zu 5500 Meter hoch, ganze Landstriche wurden verwüstet. Schätzungen zufolge lag der wirtschaftliche Schaden damals bei bis zu 3,7 Milliarden Euro.