Die Corona-Infektionszahlen aus dem irischen Waterford (ein Verwaltungsbezirk im Südosten des Landes mit etwa 116.000 Einwohnern) schlagen derzeit in sozialen und traditionellen Medien Wellen. Der Grund: obwohl man dort die höchste Impfquote des Landes verzeichnet, kämpft der Bezirk mit der höchsten 14-Tages-Inzidenz auf der grünen Insel. Aus dem südlichen Stadtteil der Bezirkshauptstadt Waterford meldet die Gesundheitsbehörde sogar eine 14-Tage-Inzidenz von 1461, das ist etwa doppelt so viel wie im Rest des Landes. In den letzten 14 Tagen wurde bei 333 der 22.476 Einwohnern des Stadtteils das Virus nachgewiesen (Stand: 1. November 2021).

In Anbetracht der laut irischen Medien höchsten Impfquote Irlands in dem Bezirk (über 99 Prozent der erwachsenen Bevölkerung) ist das eine unerwartet hohe Inzidenz. Was die Ansteckungsrate betrifft, musste man die Schätzung der Schutzwirkung einer Impfung vor einer Covid-19-Infektion tatsächlich nach unten schrauben. Ursprünglich hätte man den Infektionsschutz auf 80 bis 90 Prozent geschätzt, diese Rate liege nun bei 40 bis 50 Prozent, wird Neill McNamara, Arbeitsmediziner in Waterford, im "Irish Independent" zitiert.

Viele Infizierte, kaum Kranke   

Der Umstand, dass ein fast völlig durchgeimpfter Stadtteil nun so hohe Inzidenzen vorweist ist für viele Impfskeptiker der Beweis, dass die Impfung nutzlos sei. Dem widerspricht McNamara: "Die Impfung ist sehr wirksam darin, Leute vor einer Erkrankung, einem Spitalsaufenthalt und dem Tod durch Covid zu schützen." Worin sie weniger effektiv sei, ist das Verhindern von Covid-19-Infektionen, "auch wenn einige gar keine oder nur milde Symptome haben."

Hausarztpraxen und Gesundheitszentren hatten laut McNamara durch den Anstieg mehr zu tun gehabt als normal, doch die Impfung hätte einen enormen Unterschied gemacht. So hatte die die Universitätsklinik während der aktuellen Ansteckungswelle zwischenzeitlich keinen einzigen Coronapatienten auf der Intensivstation. Zum Höhepunkt der Welle mussten 26 Patienten im Spital behandelt werden. Der Großteil der Erkrankten erholte sich aber rasch wieder. 

Warum ist die Inzidenz so hoch?

Eine befriedigende Erklärung für die hohe Inzidenz in Waterford zu finden ist nicht einfach. Für Neill McNamara hätte das auch in jedem anderen irischen Bezirk passieren können. Lokale Spitzen bei den Infektionszahlen könnten in den nächsten Wochen und Monaten überall auftreten, das sei aber kein Grund zu übermäßiger Sorge. Er vermutet eine Reihe von Gründen hinter der derzeitigen Welle.

Public-Health-Experten gehen von einer Reihe von Ursachen aus. Darunter etwa eine starke Zunahme an sozialen Aktivitäten und Abnahme von Vorsichtsmaßnahmen wie Händewaschen und Abstand halten – nicht zuletzt aufgrund einer "Selbstgefälligkeit" infolge des Erfolgs der Impfkampagne in Verbindung mit dem Überschätzen des Infektionsschutzes. Auch eine starke Reisetätigkeit wird ins Treffen geführt.

Viele Mediziner in Irland kritisieren derzeit das Lockern der Maßnahmen, betonen aber zugleich, dass man besser dastehe als noch vor der Impfkampagne. Das Risiko, an Covid-19 zu erkranken ist viel geringer als noch vor neun Monaten und entspricht Experten zufolge in etwa, dem im Winter an einer Grippe zu erkranken

14-Tagesinzidenz in Irland bei 695 

Die 14-Tage-Inzidenz liegt in Irland derzeit bei 695. Zum Vergleich: In Österreich liegt dieser Wert derzeit bei 840. Mit Stand 4. November sind in Irland 88,4 Prozent der impfbaren Bevölkerung vollständig geimpft. Am öftesten wurde der Impfstoff von Biontech-Pfizer verimpft (5,3 Millionen Dosen), jener von AstraZeneca wurde 1,2 Millionen mal gespritzt. 

Irland hat knapp fünf Millionen Einwohner. Derzeit liegen 76 Covid-Patienten auf einer Intensivstation und 464 auf einer Normalstation. In Österreich liegen diese Werte bei 362 bzw. 1475.