"Wir können nur hoffen, dass dieser Albtraum bald zu Ende ist“, sagt der Sprecher des Krisenstabs, als er den täglichen Lagebericht gibt. Doch diese Hoffnung scheint sich nicht zu erfüllen: Der Vulkan auf der spanischen Ferieninsel La Palma, der vor fast vier Wochen ausbrach, spuckt pausenlos Lava, welche die Westflanke zur besiedelten Küste hinunterfließt. Immer mehr Bewohner ergreifen die Flucht. Inzwischen sind bereits 7000 Menschen, fast zehn Prozent der Inselbevölkerung, evakuiert worden.

„Bitte verlassen Sie ihre Häuser“, tönt aus den Lautsprechern der Polizeiwagen, die mit Sirenen durch den Ort La Laguna fahren. „Bis 19 Uhr müssen sie den Ort verlassen haben.“ Die Warnung gilt 800 Menschen, deren Häuser von einer neuen Lavawalze erreicht werden könnten, die vom Vulkangebirge Cumbre Vieja herunterkommt und alles verschlingt. La Laguna liegt oberhalb des Ferien- und Küstenortes Tazacorte, der das nächste Opfer werden könnte.

Rascher Aufbruch

Autos werden in Windeseile vollgepackt. Auf der Ladefläche eines Lastwagens stapeln sich Kleinmöbel, Matratzen und Kisten. Was nimmt man mit, wenn man weiß, dass nur wenig Zeit ist, um das Nötigste zusammenzuraffen? „Vor allem Dokumente, Fotoalben und Wäsche“, sagt eine Frau mit Tränen in den Augen im Insel-TV. Sie hat ihren Geländewagen bis unters Dach vollgestopft. „Das Schlimmste ist, dass ich nicht weiß, ob ich mein Heim jemals wiedersehen werde.“

Die Schäden werden immer größer: 1500 Häuser und andere Bauwerke wurden bereits zerstört. Immer mehr landwirtschaftliche Plantagen werden von den flüssigen Vulkanmassen begraben. Ascheregen bedroht die Ernte auch auf jenen Feldern, die bisher von der Lava verschont blieben. Auf der Insel wachsen vor allem Bananen, Wein und Avocados. Die Landwirtschaft ist zusammen mit dem Tourismus die größte Einnahmequelle der Insel im Atlantik.

Auch die Tourismuswirtschaft steht zunehmend still. Die Zuspitzung der Katastrophe, die sich im Südwesten der Insel abspielt, verschreckt die Gäste, die sich bisher im Norden und Osten La Palmas noch halbwegs sicher fühlen konnten. In den ersten Tagen nach dem Vulkanausbruch am 19. September hatten sich die Hotels mit abenteuerlustigen Touristen gefüllt, die den feuerspuckenden Berg aus der Nähe sehen wollten. Diese Zeiten sind vorerst vorbei.

„Die Hotels haben sich geleert“, sagt bedauernd ein örtlicher Tourismussprecher. Nur noch 15-20 Prozent aller Betten seien belegt. Und dies vor allem mit Helfern, Wissenschaftlern und evakuierten Inselbewohnern. Die Nachrichten über gesundheitsschädliche Asche- und Schadstoffwolken, geräumte Ferienunterkünfte und einen gestörten Airportbetrieb verunsichern. Viele internationale Flugverbindungen wurden abgesagt. Auch die meisten Kreuzfahrtschiffe meiden derzeit La Palma.

Österreich mahnt zur Vorsicht

Deutschland, der wichtigste Reisemarkt der naturreichen Wanderinsel, empfiehlt mittlerweile den Urlaubern, die Vulkaninsel zu meiden: „Von nicht notwendigen Reisen nach La Palma wird derzeit abgeraten“, erklärt das Außenministerium in Berlin in seinen Reisehinweisen. Auch Österreichs Regierung mahnt zur Vorsicht: „Bei Reiseplänen nach La Palma muss das Risiko einer sich rasch ändernden Reisesituation im Hinblick auf An- und Abreiseverkehr sowie Unterkunft berücksichtigt werden.“

Ein kleiner Lichtblick in diesem Drama ist, dass einige Haustiere, die seit Tagen in der Nähe des Ortes Todoque von der Lava eingekesselt sind, nun aus der Luft mit Futterrationen und Wasser versorgt werden. Bei den Tieren handelt es sich um mehrere Hunde und Katzen, die bei der Räumung des 1000-Seelen-Dorfes Todoque nicht evakuiert werden konnten. Das Dorf wurde inzwischen weitgehend von der Lava begraben. Nur ein kleiner Flecken Land blieb verschont und wurde zum Zufluchtsort dieser Tiere.

Auch Tiere leiden

Auf einem Video, das die Inselregierung veröffentlichte, sieht man mehrere Hunde, die abgemagert auf dieser Insel inmitten der Lava ausharren. Der Flecken ist mit Asche bedeckt ist, aus der einige vertrocknete Halme ragen. Wenigstens zwei der Vierbeiner befinden sich in einem ausgetrockneten Teich – das Wasser verdunstete wegen der großen Hitze. Auf dem Video, das von einer Drohne aus der Luft gemacht wurde, sieht man neben dem Becken einen dritten Hund liegen.

Wie lange die Tiere unter diesen Bedingungen überleben können, und ob sie gerettet werden können, ist unklar. Die Behörden teilten mit, „dass es auf dem Landweg wegen der hohen Temperaturen nicht möglich ist, diese Zone zu erreichen“. Auch eine Rettung per Hubschrauber, so hört man aus dem Krisenstab, sei derzeit wegen der Hitzeentwicklung und vom Himmel regnenden Vulkansteinen lebensgefährlich.