Es ist eine Art Staatsgeheimnis – nur der Jurorenkreises weiß, wer in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur, Frieden und Wirtschaft mit einem Nobelpreis bedacht wird. 2021  war diese Frage vor allem in der Sparte der Medizin spannend werden.  Dass Dynamiterfinder Alfred Nobel, auf den der Preis zurückgeht, in seinem Testament festhielt, dass die Auszeichnungen an diejenigen gehen sollen, "die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbrachten“, stellt zwangsläufig den Zusammenhang zu den Problemstellungen der letzten Monate her. Viele tippten daher auf Impfstoffentwickler.

Doch die Jury hatte überraschend anders entschieden. Der US-Forscher David Julius und Ardem Patapoutian aus dem Libanon erhalten den diesjährigen Medizin-Nobelpreis für ihre Entdeckungen der menschlichen Rezeptoren für Temperatur- und Berührungsempfinden. Das Wissen werde genutzt, um Behandlungen für eine Reihe von Krankheiten zu entwickeln, darunter chronische Schmerzen, teilte das Nobelpreiskomitee am Montag in Stockholm mit. Die Dotierung beträgt wie im Vorjahr zehn Millionen Kronen (985.000 Euro).

Die Preisträger hätten wichtige Verbindungen im Verständnis der komplexen Verbindungen zwischen unseren Sinnen und der Umwelt aufgezeigt, hieß es in der Begründung zu den Nobelpreisen. Die bahnbrechenden Entdeckungen durch die diesjährigen Nobelpreisträger "haben es uns ermöglicht zu verstehen, wie Wärme, Kälte und mechanische Kräfte die Nervenimpulse auslösen, die es uns ermöglichen, die Welt um uns herum wahrzunehmen und uns an sie anzupassen", hieß es vom Komitee.

Der 65 Jahre alte US-Amerikaner Julius nutzte Capsaicin, eine scharfe Verbindung aus Chilischoten, die ein brennendes Gefühl hervorruft, um einen Sensor in den Nervenenden der Haut zu identifizieren, der auf Hitze reagiert. Patapoutian, der 1967 im Libanon geboren wurde und wie Julius in Kalifornien forscht, entdeckte mithilfe druckempfindlicher Zellen eine neue Klasse von Sensoren, die auf mechanische Reize in der Haut und in inneren Organen reagieren.

Doch nicht mRNA-Entwickler


Zuvor war spekuliert worden, dass mRNA-Entwickler hoch im Kurs stehen würden.  Dass schon relativ rasch nach Ausbruch der Corona-Pandemie ein entsprechender mRNA-Impfstoff vorgelegt werden konnte, wurde erst durch jahrzehntelange Vorarbeit möglich. Als Pioniere der Forschung im Bereich der "Messenger-Ribonukleinsäure" gelten die in Ungarn geborene Katalin Karikó und der US-Amerikaner Drew Weissman: Dem kongenialen Forscher-Duo gelang 2005 der Durchbruch, als es entdeckte, wie man fremde mRNA ohne Überreaktion des Immunsystems in den Körper einsetzen kann.

Auch Özlem Türeci (54) und Ugur Sahin (56), Gründer des Mainzer Unternehmens Biontech, die zusammen mit Pfizer einen Impfstoff vorlegten, sind im Gespräch: Gegen sie machte im Vorfeld indes ein Netz aus Hilfsorganisationen ("The People's Vaccine") mobil: Die Leistung des Ehepaars sei zwar außergewöhnlich, kritisiert wird jedoch, dass "das Impfstoffrezept nicht mit Herstellern in den Entwicklungsländern geteilt" werde – im Sinne einer "Fairteilung". Türeci und Sahin sind jüngst mit dem renommierten Medizinpreis der Paul-Ehrlich-Stiftung ausgezeichnet worden – der Vorwurf, sich das Monopol vergolden zu lassen, hält sich aber.

Trotz bemerkenswerter Geschwindigkeit bei der Bereitstellung des Vakzins könnte es laut Beobachtern noch zu früh für einen Nobelpreis dafür sein: Immerhin hofft man, dass die mRNA-Methode in Zukunft auch gegen Krebs und HIV eingesetzt wird – ein Quantensprung in der Medizin. Zudem sind Karikó und Weissman mit 66 und 62 Jahren im Vergleich zu vielen bisherigen Forschern noch vergleichsweise jung.

Politisch aufgeladen ist stets der Friedensnobelpreis: Die Weltgesundheitsorganisation WHO ist offenbar nominiert. Auf der Liste, die nicht öffentlich einsehbar ist, sollen zudem die schwedische Klimakämpferin Greta Thunberg (18) sowie der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny (45) stehen.

Verliehen werden die Auszeichnungen am 10. Dezember in Stockholm bzw. für den Frieden in Oslo.

Die Nobelpreise in der Übersicht: