Genervt von der omnipräsenten Corona-Berichterstattung in China, wo die 27-jährige Zoe Stephens seit über zwei Jahren lebte, entschloss sich die gebürtige Britin, auf Reisen zu gehen. Als sie Anfang 2020 das erste Mal von Corona hörte, war sie - wie so viele Menschen auf der ganzen Welt - zunächst vom Virus unbeeindruckt. Sie verließ China und besuchte zunächst Südkorea, wo die Situation aber sehr bald ernst wurde. Als die Grenzen drohten dicht zu machen, plante sie schnell einen Wochenendausflug in den südpazifischen Inselstaat Tonga, um bei der Rückkehr nach China nicht in Quarantäne zu müssen. 18 Monate nach dieser Entscheidung sitzt sie immer noch dort fest.

Direkt nach der Landung in Tonga erfährt die Touristin im Zuge des klassischen Taxifahrer-Smalltalks, dass der polynesische Inselstaat gerade seinen ersten Corona-Fall gemeldet hatte.Gegenüber CNN-Travel erzählt Stephens, dass anschließend alles sehr schnell ging: Erst wurde sie nicht in ihrer Jugendherberge aufgenommen, weil sie aus einem anderen Land kam, dann erfuhr sie, dass Tonga abgeriegelt werden würde und schließlich stand der Flugverkehr still. "Wir hatten einen sehr intensiven dreiwöchigen Lockdown. Man durfte das Haus nur einmal in der Woche verlassen, um Lebensmittel zu besorgen. Im ganzen Land war alles geschlossen: Geschäfte, Restaurants, alles; bis auf ein oder zwei Läden", berichtet sie von ihrer Zeit nach der Ankunft.

Es dauerte auch nicht lange, bis Tonga den Notstand ausrief, seither ist das Land für Ausländer geschlossen (bis auf jene, die zu diesem Zeitpunkt schon im Land waren). Nachdem der internationale Flugverkehr weitestgehend eingestellt wurde, blieb Stephens dennoch optimistisch, bald nach China zurückkehren zu können. Sie dachte, sie müsse nur geduldig bleiben, bis die Grenzen wieder aufgehen. In dieser Hoffnung ließ sie sogar einen Repatriierungsflug nach Europa sausen. In der Folge musste sie sich aber mit der Tatsache abfinden, nicht so bald in ihr Leben in China zurückkehren zu können: "Ich musste das aufgeben. Mir wurde klar, dass sich China für eine lange Zeit nicht öffnen wird."

Tonga hat im Rahmen der COVAX-Initiative 24.000 Dosen Covid-19-Impfstoff erhalten. Auch Stephens wurde geimpft.
Tonga hat im Rahmen der COVAX-Initiative 24.000 Dosen Covid-19-Impfstoff erhalten. Auch Stephens wurde geimpft. © (c) Courtesy Zoe Stephens

An diese Situation musste sie sich erst gewöhnen: "Es gibt nicht viele Menschen, die nachempfinden können, wie es ist, wenn man ohne Freunde oder Familie auf einer Insel festsitzt - in einem Land, in dem man nicht absichtlich gelandet ist." Außerdem sei sie aus dem Land, in dem sie lebte, ausgesperrt - ohne Möglichkeit zurückzukehren. Auch das Leben auf einer abgelegenen Insel sei oft nicht so paradiesisch, wie es sich zunächst anhört: "Es ist schon ziemlich einsam."

Einen typischen Tag in Tonga würde es nicht geben: "Ich unterhalte mich mit Freunden, gehe in eine der drei Bars oder in eines der wenigen Restaurants, und dann fahre ich wieder nach Hause." In ihrer restlichen Freizeit packt sie gerne Stand-Up-Paddle oder Taucherbrille und Schnorchel aus. "Es ist wirklich sehr langweilig", meint die Britin. Ihre Hauptaufgabe sei es, das Haus für eine Familie zu sitten, die ebenfalls im Ausland gestrandet sei und aufgrund der Reisebeschränkungen nicht zurückkehren kann. "Nicht tagesfüllend," kommentiert die Abenteurerin mit Österreich-Bezug im Gespräch mit der Kleinen Zeitung, sie lebte in ihrem abwechslungsreichen Leben schon einmal in Neusiedl am See.

Auf die Frage, ob sie retrospektiv etwas anders gemacht hätte, antwortet sie: "Es gibt zu viele Dinge, die ich nun anders machen würde, um sie aufzuzählen. Aber mein größtes Bedauern ist, nicht Tonganisch gelernt zu haben." (Dieses Bedauern unterstreicht sie mit drei Rufzeichen am Satzende - Anm. d. Red) Sie liebe Sprachen und lerne sie, wohin sie auch gehe, "aber ich hätte nie gedacht, dass ich so lange in Tonga bleiben würde... Jedes Mal, wenn ich anfing es zu lernen, dachte ich: Jetzt kann ich das Land verlassen."

Und heute sollte es endlich so weit sein: Der große Tag, an dem sie Tonga verlassen kann. Auf Social Media dokumentierte sie ihren  Abschied von der Südpazifik-Insel, doch einmal mehr wurde ihre Geschichte um ein Kapitel reicher: "Letzten Endes war heute nicht mein Tag und ich bin immer noch in Tonga." Der Südpazifik sei nicht wie viele andere Orte auf der Welt momentan. "Es ist unglaublich streng. Und isoliert", meint die enttäuschte Stephens. Es mag für viele schwierig zu verstehen sein, warum sie hier festsitze, aber "ehrlich gesagt ist es wirklich hart, wieder wegzukommen. Es gibt so viele Beschränkungen und Genehmigungen, die man beachten muss."

Auch wenn es mit dem heutigen Flug nicht funktioniert habe, immerhin gebe es ab sofort wieder einmal pro Woche Flüge, anstatt einmal im Monat. Ihren Freunden auf der Insel richtet sie aus: "An alle in Tonga: Ich sagte doch, wir sehen uns wieder."