Insellage, dünn besiedelt, hohe Durchimpfungsrate. Faktoren, die eine Ausbreitung des Coronavirus nicht gerade begünstigen. Trotzdem erlebt Island derzeit die stärkste Corona-Welle seit Ausbruch der Pandemie Anfang 2020. "Das ist erstaunlich", kommentiert auch Karl Lauterbach, Mediziner und SPD Politiker, die Daten aus Island. Es würden sich die Anzeichen mehren, dass Durchbruchinfektionen (eine Infektion trotz Impfung) eine immer größere Rolle spielen würden, so der umtriebige Talkshowgast im deutschen Fernsehen. Sind die Impfungen daher nutzlos?

Elías Eybórsson von der Universität von Island brachte mit einem Tweet über das Infektionsgeschehen in Island den Stein ins Rollen: Mit Stand 07. August seien demnach 96 Prozent aller Frauen ab 16 Jahre zumindest teilgeimpft gewesen, bei Männer betrage diese Quote 90 Prozent. Vollständig geimpft sind laut dem offiziellen Dashboard rund 85 Prozent aller Menschen über 12 Jahre. Mit Blick auf die Zahl der Neuinfektionen in Island wäre es daher abwegig anzunehmen, dass eine hohe Durchimpfungsquote auch zu einer Herdenimmunität führe, schreibt Eybórsson.

Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Nur ein sehr kleiner Teil der Infizierten in Island leidet unter schweren Verläufen, sehr wenige müssen ins Spital. Lauterbach: "Wir können uns keine Durchseuchung leisten." Nur etwa 20 Prozent der Geimpften mit Durchbruchinfektion leiden an Long Covid. Außerdem bestätigt eine israelische Studie die Beobachtungen in Island, wonach Erkrankungen bei vollständig Geimpften mild oder asymptomatisch verliefen.

Wenig später spezifiziert der Mitarbeiter der medizinischen Fakultät der Universität von Island deshalb seine Aussagen: "Die Impfstoffe sind das wichtigste Instrument, das wir zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 haben." Er bleibe zwar bei seinem ursprünglichen Standpunkt, dass Impfstoffe allein nicht zu einer Herdenimmunität führen würden, sie würden aber sehr wohl vor der Erkrankung schützen. "Unter großem Vorbehalt deuten die isländischen Daten auch darauf hin, dass sie die Übertragung hemmen."

Auch Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie am Leibniz-Institut an der TU Dortmund, kommentiert die isländischen Daten: "Man kann nicht darauf hoffen, sich nicht zu infizieren. Auch bei hoher Impfquote laufen die Infektionen weiter." Als Ungeimpfter könne man sich daher nicht auf Herdenimmunität verlassen, da diese aufgrund der Delta-Variante des Coronavirus nicht erreichbar sei.

Trotzdem, "auch Geimpfte können sich anstecken", stellt Watzl klar. Für Island und für uns alle bedeute das: Man ist als Geimpfter zwar nicht zu 100 Prozent vor einer Corona-Infektion gefeit, die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung schwer verläuft, ist aber verschwindend gering.