Was wie eine fiktive Superkraft in einem Action-Film klingt, könnte schon bald Realität werden. Ein Forschungsteam der Universität Genf unter der Leitung von Jean-Pierre Wolf arbeitet intensiv daran, in Zukunft das Wetter mit Laserstrahlen kontrollieren zu können. Dazu testen die Forscher gerade einen gigantischen Laser am Gipfel des in den Schweizer Alpen gelegenen Säntis auf rund 2502 Meter über dem Meeresspiegel. Während Laserstrahlen bereits die unterschiedlichsten Aufgaben - vom Lesen eines Strichcodes bis hin zur Holografie - erfüllen, sollen die feinen, hochenergetischen Lichtstrahlen nun auch Blitze bändigen.

Der Sendeturm am Säntis wird im Jahr hunderte Male von Blitzen getroffen
Der Sendeturm am Säntis wird im Jahr hunderte Male von Blitzen getroffen © ©UNIGE

Der Säntis ist der höchste Berg im Alpstein im Osten der Schweiz und nur rund 20 Kilometer von Feldkirch in Vorarlberg entfernt. Vom Gipfel kan man an schönen Tagen nicht nur auf gleich sechs verschiedene Länder blicken, auf ihm steht auch ein Grundnetzsender mit einem 123 Meter hohen Sendeturm.Wolf spricht vom optimalen Testgebiet für den Super-Laser: "Das ist einer der Orte in Europa, der am häufigsten von Blitzen getroffen wird", weiß der Projektleiter. "Der Funkturm wird 100 bis 400 Mal im Jahr getroffen. Es ist also ein idealer Ort, um unsere Experimente durchzuführen."

Laserschüsse in Gewitterwolken

Blitze entstehen, wenn Eiskristalle und Wassertröpfchen in einer Gewitterwolke heftig umhergewirbelt werden, wodurch sich Elektronen aus ihren Atomen herauslösen und so separate Zonen mit entgegengesetzten elektrischen Ladungen entstehen. Wenn sich diese Felder anschließend durch elektrische Entladung verbinden, entsteht das Phänomen eines Blitzes.

Bevor die Laserstrahlen auf Wolken geschossen werden, wurden sie in einem Pariser Labor getestet
Bevor die Laserstrahlen auf Wolken geschossen werden, wurden sie in einem Pariser Labor getestet © ©UNIGE

Jedes Jahr richten Blitze weltweit Milliardenschäden an. Konventionelle Blitzableiter bieten zwar ausreichend Schutz für Einfamilienhäuser, nicht jedoch für größere Anlagen wie Flughäfen, Atomkraftwerke oder Hochhäuser. Die Lösung für dieses Problem soll die Laser-Technologie bereithalten. Der erste Prototyp eines Hightech-Blitzableiters, eine neun Meter lange Blitzkanone, schießt ab sofort Laserstrahlen in die Gewitterwolken rund um den Säntis, um Blitze kontrolliert zu entladen und so Einschläge in den Sendeturm zu verhindern. Technisch funktioniert das so: Der Laser ahmt das natürliche Szenario der Entstehung von Blitzen nach und verstärkt es, indem er ein elektrisches Feld bildet, das die entgegengesetzten Ladungen erzeugt, die für die Entstehung eines Blitzes notwendig sind. "Das physikalische Prinzip hinter der Lenkung von Blitzen kann man vereinfacht so beschreiben, dass der Laser die Rolle eines elektrischen Kabels in der Luft übernimmt und damit die Richtung des Blitzes vorgibt", erklärt Thomas Produit, Mitglied des Forschungsteams.

Die Technologie soll außerdem einen Beitrag zu einem sichereren Luftverkehr und weniger Flugverspätungen bei heftigen Gewittern leisten. Paradoxerweise betreffen die Hauptrisiken der Laserschüsse vor allem aber den Flugverkehr: "Das Hauptrisiko besteht für Flugzeuge, wenn sie in der Nähe des Lasers vorbeifliegen würden, während er im Einsatz ist. Deshalb ist der Luftraum gesperrt, wenn wir schießen", sagt Produit.

Am Gipfel verankern 18 Tonnen schwere Betonblöcke die gigantische Lasermaschine im hochalpinen Gelände. Nachdem der Praxistest aufgrund der Pandemie um ein Jahr geschoben werden musste, freuen sich die Forscher jetzt auf die nächste Etappe. Geht alles gut, ist der "Super-Laser" in fünf bis zehn Jahren für kommerzielle Zwecke einsatzbereit.