Touristen sind in Venedig derzeit kaum unterwegs. Der Grund ist die Corona-Pandemie. Die Stadt, die sonst unter dem Andrang von bis zu 30 Millionen Besuchern im Jahr ächzt, atmet durch. Gleichzeitig liegt zu großen Teilen aber auch das Geschäftsleben in der Lagunenstadt darnieder. Längst hängen die Stadt und ihre nur noch gut 50.000 Bewohner vom Massentourismus mit seinen für Venedig besonders empfindlichen Folgen ab. In diesem Zusammenhang haben am Donnerstag vier italienische Minister eine Aufsehen erregende Entscheidung getroffen. Die umstrittenen Kreuzfahrtschiffe, die jedes Jahr für einen Extra-Andrang von Kurzzeit-Besuchern sorgen, dürfen in Zukunft nicht mehr auf der spektakulären Route durch den Giudecca-Kanal am Markusplatz vorbei fahren, sondern werden westlich des Lido in den Industriehafen Marghera umgeleitet. 

Als Begründung hieß es in einer Mitteilung, Venedig, das historisch-kulturelle Erbe nicht nur Italiens, sondern der ganzen Welt“, solle geschützt werden. Die Stadt zählt seit 1987 zum Unesco-Weltkulturerbe. 2016 drohte die Unesco allerdings mit dem Entzug dieses Gütesiegels. Zu viele Touristen, zu viele Kreuzfahrtschiffe - das Kulturerbe sei bedroht, lautete die Begründung. Wer selbst in den vergangenen Jahren einmal die Stadt besucht hat, ahnt, dass die einst lebendige Metropole sich immer mehr in ein Museum verwandelt und dabei ihre eigene Existenz aufs Spiel setzt. 

Das war nun offenbar auch den vier Ministern bewusst, die die Kreuzfahrtschiffe aus der Lagune verbannen wollen. Die vom Kultus-, dem Tourismus- und dem Verkehrsministerium sowie dem neugeschaffenen Ministerium für Ökologische Transition getroffene Entscheidung ist keine definitive Lösung, obwohl in Marghera nun ein Kreuzfahrtterminal für 41 Millionen Euro gebaut werden soll. Solange diese Anlegestelle nicht fertig gestellt ist, dürfen die Schiffe wie bisher in der Stazione Marittima nahe der Altstadt landen. Eine definitive Lösung außerhalb der Lagune soll später gefunden werden. Seit vergangenem Dezember läuft deshalb ein internationaler Ideenwettbewerb.

"Nach zehn Jahren hat die Regierung endlich verstanden, dass die Zukunft der Kreuzfahrtschiffe außerhalb der Lagune liegt", sagt Tommaso Cacciari, Sprecher des Komitees "No Grandi Navi". Allerdings überzeugt die Übergangslösung in Marghera die Kritiker nicht. "Der Kanal, der dazu vorgesehen ist, ist zu klein für die Riesenschiffe, ein Gesetz verbietet aber seine Ausweitung", sagt Cacciari. Zudem verbiete eine andere Regelung, dass die Ozeanriesen nahe an den Industrieanlagen vorbei navigieren, das müssten sie aber, um nach Marghera zu gelangen. "Wir fürchten, dass hier eine große Ankündigung gemacht wurde, aber letztendlich alles beim Alten bleibt", sagt Cacciari. 

Der Streit um die Kreuzfahrtschiffe ist seit Jahren im Gang. 2014 blockierte ein Minister-Komitee die Einfahrt der Riesen-Schiffe, das Verwaltungsgericht hob den Beschluss wenig später wieder auf. 2016 erlangte der Protest gegen die Durchfahrt der bis zu 96 000 Tonnen schweren Kreuzfahrtschiffe seinen Höhepunkt. Aktivisten des Komitees "No Grandi Navi" versuchten per Boot die Einfahrt der Ozeanriesen zu verhindern. Im September 2017 kletterten Demonstranten auf ein Kreuzfahrtschiff und hissten einen Banner mit der Aufschrift: "Rettet den Planeten – rettet die Lagune. Stoppt das Klima-Chaos, stoppt die Kreuzfahrtschiffe!"

Diese sind für den größten CO2-Austoß in der Lagunenstadt verantwortlich. Teilweise lagen bis zu sieben Ozeanriesen mit laufenden Maschinen gleichzeitig am Terminal hinter der Altstadt. Umweltschützern zufolge stoße jedes der Riesen-Schiffe soviele Abgase wie 14 000 Autos gleichzeitig aus. Auch die Sicherheit in der Lagune war durch die Passagierschiffe beeinträchtigt. Bei einem der größeren Zwischenfälle im Juni 2019 rammte ein Kreuzfahrtschiff ein Touristenboot. Daneben sorgen die Ozeanriesen aber auch für anderes Unheil: Bis zu 5000 davon passierten vor Corona pro Jahr die Lagune und den Giudecca-Kanal. Durch die Verdrängung riesiger Wassermaßen und der dadurch verursachten Erosion soll die Stadt in den vergangenen Jahrzehnten bereits um einen Meter gesunken sein.