Mexiko will WikiLeaks-Gründer Julian Assange politisches Asyl anbieten. Assange habe eine Chance verdient und solle begnadigt werden, sagte der mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador am Montag. Zuvor hatte ein Gericht in London einen Antrag auf die Auslieferung Assanges an die USA abgelehnt. Die USA zeigten sich darüber "extrem enttäuscht".

Das Außenministerium solle das entsprechende Prozedere einleiten und die britische Regierung über das Asylangebot informieren, so Lopez Obrador. Er unterstütze die Entscheidung der Richterin Vanessa Baraitser, den US-Antrag abzulehnen, betonte der Präsident. Zugleich forderte er die britische Regierung auf, Assange freizulassen. Der mexikanische Staats- und Regierungschef ist ein Linkspopulist und Nationalist, der sich bisher mit dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump allerdings gut verstanden hat. Mexiko war in der Vergangenheit immer wieder ein Zufluchtsort für Linke.

Richterin Baraitser begründete ihre Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn bei einem Prozess wegen des Vorwurfs der Spionage in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde.

"Werden uns weiterhin um die Auslieferung bemühen"

Washington reagierte verärgert. Die Regierung sei "extrem enttäuscht" über die Entscheidung des Gerichts in London, teilte das Justizministerium mit. "Wir werden uns weiter um die Auslieferung von Herrn Assange an die Vereinigten Staaten bemühen", hieß es. Es wurde erwartet, dass die USA Berufung gegen das Urteil einlegen.

Die Anwälte des WikiLeaks-Gründers stellten einen Antrag auf Freilassung auf Kaution. Darüber wird das Londoner Gericht an diesem Mittwoch entscheiden, kündigte Richterin Baraitser an.

Geheimes Material gestohlen und veröffentlicht

Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning - damals Bradley Manning - geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Es geht um Hunderttausende Dokumente. Der 49-Jährige habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht, so der Vorwurf. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat. Assange hätten in den USA im Fall einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft gedroht.

Anhänger des 49-Jährigen feierten die Entscheidung der Richterin mit Jubel und Freudensprüngen. Assanges Verlobte Stella Moris, mit der er zwei kleine Kinder hat, brach nach dem Urteil im Gerichtsgebäude in Tränen aus. "Der heutige Sieg ist ein erster Schritt hin zur Gerechtigkeit in diesem Fall", sagte Moris. Doch zum Feiern sei es noch zu früh. Das werde sie erst nachholen, wenn ihr Partner auf freiem Fuß sei. Noch fürchte sie, dass die USA ihren Partner weiterhin unerbittlich verfolgen wollten. Sie forderte die US-Regierung dazu auf, das Verfahren gegen Assange einzustellen. Die Anwältin ist seit 2015 mit Assange liiert, das Paar hat zwei Söhne.

Situation weiterhin "katastrophal"

Der Mitbegründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, Daniel Domscheit-Berg, begrüßte die Entscheidung, gab aber zu bedenken, dass Assanges Situation weiterhin "katastrophal" sei. "Daran hat das Urteil überhaupt nichts geändert." Wenn die britische Richterin auf die Haftbedingungen in den USA verweise, dann solle sie "mal in den Spiegel gucken". In Großbritannien seien die Bedingungen kaum besser, sagte Assanges ehemaliger Mitstreiter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag).

Grüne erfreut

In Österreich begrüßten die Grünen die Gerichtsentscheidung und äußerten die Erwartung, dass Assange schnellstmöglich auf freien Fuß gesetzt und adäquat medizinisch versorgt werde. Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic zeigte sich in einer Aussendung außerdem "verwundert, dass die Frage der Legitimität von Assanges journalistisch-investigativem Handeln bei der Urteilsbegründung keine Rolle gespielt" habe.

Journalistenclub kritisiert Urteilsbegründung

Auch der Österreichische Journalistenclub (ÖJC) zeigte sich zwar erfreut über Nicht-Auslieferung des Wikileaks-Gründers, kritisierte aber die Urteilsbegründung. Sie sei "letztlich dennoch ein massiver Angriff auf die Pressefreiheit", da die Entscheidung lediglich mit dem gesundheitlichen Zustand von Assange begründet werde, hieß es in einer Aussendung.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte ebenfalls das Urteil, kritisierte aber, dass die Anklagen gegen den Wikileaks-Gründer gar nicht erhoben werden hätten dürfen und sprach von einem auf Drängen der USA "politisch motivierten Prozess".

Laut Richterin Fall nicht politisch motiviert

Die Richterin machte am Montag allerdings deutlich, dass der Fall nicht politisch motiviert sei. Assanges Verhalten sei über das normale Verhalten eines investigativen Journalisten hinausgegangen. Er sei sich der Gefahr für Informanten bewusst gewesen, als er deren Namen in den veröffentlichten Dokumenten nicht schwärzte. Es gebe zudem keine Beweise, dass die Regierung von US-Präsident Donald Trump Druck auf Staatsanwälte ausgeübt habe, betonte sie.

2012 hatte Ecuador Assange politisches Asyl gewährt. Der Wikileaks-Gründer verbrachte sieben Jahre in der Botschaft des Landes in London, bevor Ecuador 2019 das Asylangebot zurückzog. Assange wurde daraufhin festgenommen, er sitzt derzeit in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis.