Die Situation in Sachen Flüchtlingspolitik ist für das Rote Kreuz nicht nur in Griechenland ein "Armutszeugnis für die EU", auch in Bosnien-Herzegowina sei sie "tragisch und menschenunwürdig". "Es ist ein Trauerspiel, zu sehen, wie man mit den Menschen umgeht", sagte Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, im APA-Gespräch. Dem "unwürdigen Schauspiel" in Europa müsse endlich ein Ende gesetzt werden, forderte er.

"Zu lange weggeschaut"

Ähnlich wie auf den griechischen Ägäis-Inseln habe man auch in Bosnien "zu lange weggeschaut". Die Zustände in den dortigen Lagern seien bekannt gewesen, so Opriesnig mit Verweis auf das Camp in Lipa nahe Bihac, das wegen fehlender Wasser- und Stromanschlüsse von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geschlossenen werden musste. IOM ortete dahinter "politische Gründe". 1.300 Menschen wurden dadurch mitten im Winter obdachlos, rund die Hälfte zog daraufhin weiter in andere Landesteile bzw. Richtung Serbien. Bis zu 700 Geflüchtete wurden am Dienstag aus Lipa Richtung Sarajevo evakuiert.

Die Umsiedelung erfolgte nach Opriesnigs Ansicht freiwillig: "Die Allermeisten, die jetzt noch dort (in Lipa, Anm.) sind, haben sicherlich schon mehr als genug gehabt und sind froh, dass sie jetzt wo anders hinkommen. Weil viel schlechter kann es nicht mehr werden." "Die Situation ist wirklich ein Wahnsinn. Das gehört schlicht und einfach geändert", appellierte Opriesnig an die Politik. "Man muss mehr hinsehen. Wenn man versucht, sich nur eine Minute in einen dieser Menschen hineinzuversetzen, dann würde man das Ganze ein wenig anders angehen", meinte er.

Keine Lösung in Sicht

Auf die Frage, ob eine Evakuierung der Menschen aus dem nordöstlich gelegenen Kanton Una-Sana in die Hauptstadt eine langfristige Lösung sei und die Menschen wohl dort bleiben werden, antwortete der Generalsekretär des Roten Kreuzes: "Je menschenunwürdiger die Bedingungen sind, in denen sie sich befinden, desto rascher werden sie sich wieder aufmachen." Das Endziel der Flüchtenden sei aber "sicherlich nicht" Bosnien gewesen, räumte Opriesnig ein. Und bessere Bedingungen in Bosnien seien eher ein "frommer Wunsch", ergänzte er.

Generell harre die gesamte Flüchtlingsproblematik "seit vielen, vielen Jahren" einer Lösung, monierte Opriesnig, der gleichzeitig eine europaweite Gesamtlösung forderte. Dass der "gebetsmühlenartig" wiederholte Ruf des Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen nach Aufnahme Schutzbedürftiger in Österreich zumindest bei der Regierung im Leeren verhallt, sei "natürlich frustrierend", so der Generalsekretär. Man werde aber nicht aufhören, den Appell zu wiederholen, so lange keine entsprechende Lösung gefunden wurde. Bis dahin müssten die Menschen bestmöglich unterstützt werden, um ihnen ein "halbwegs menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Alles andere wäre zynisch".

Appelle an die Regierung

Hilfsorganisationen, Politiker verschiedener Parteien, der Bundespräsident, die Kirche sowie Kulturschaffende hatten kurz vor Weihnachten den Appell an die Regierung zur Beteiligung an der Evakuierung der Menschen aus Lesbos erneuert. Während sich die Grünen für die Aufnahme Schutzbedürftiger aus den Camps auf den Ostägäis-Inseln aussprechen, ist die ÖVP strikt dagegen - mit der unter Experten äußerst umstrittenen Begründung, dass dies ein Pull-Faktor sein könne.