Es brennt im Pantanal, einem der größten Binnen-Feuchtgebiete der Welt, das auch Heimat Tausender Tier- und Pflanzenarten ist. Dass das Unesco-Weltnaturerbe im Westen Brasiliens eigentlich unter Naturschutz steht, spielt derzeit eine untergeordnete Rolle. Denn die illegale Brandrodung zur Gewinnung neuer Anbau- und Weideflächen wird in Brasilien weiterhin geduldet – allen voran von Staatspräsident Jair Bolsonaro, der in den Regenwäldern seines Landes vor allem ungenutztes wirtschaftliches Potenzial sieht.


In diesem Jahr wüten die Flammen im Amazonas-Gebiet stärker denn je, wie auch Greenpeace bestätigt. Rund 17 Prozent des Regenwaldes in Brasilien sind mittlerweile zerstört, bei 20 Prozent könnte ein kritischer Punkt erreicht sein. „Das bedeutet, dass der Amazonas seiner Funktion für unser Weltklima dann nicht mehr nachkommen kann“, erklärt Biodiversitätsexperte Lukas Meus von Greenpeace. „Der Kampf gegen den Klimawandel wäre verloren.“

Die größten Waldbrände der Welt


Im Pantanal stellt sich die Situation noch einmal verschärft dar: Das Feuchtgebiet versorgt große Teile des Kontinents mit Regenwasser. Wasser, das im Wetterkreislauf zusehends fehlt. Die Flammen trocknen das Gebiet aus, der fehlende Niederschlag begünstigt wiederum die Feuer im Wald und erleichtert die Arbeit der Brandstifter. Zwischen Jänner und Mitte September 2020 hat es im Pantanal offiziellen Angaben zufolge fast 13.000 einzelne Brände gegeben. Das ist der höchste Wert für diesen Zeitraum seit Beginn der Überwachung 1998.


Die Folgen davon können weitreichend sein: Bisher speicherte der Amazonas-Regenwald zwischen 80 und 120 Milliarden Tonnen CO2. Ein Treibhausgas, das die Erde immer mehr aufheizt, wenn es in die Atmosphäre gelangt. Die Feuer setzen die gespeicherten CO2-Vorräte wieder frei – und vermindern künftige Speicherkapazitäten.


Bolsonaro erfreut sich derzeit großer Beliebtheit, sodass ein Umschwenken zu nachhaltigerer Regenwald-Politik trotz heftiger Kritik unwahrscheinlich ist. Die guten Umfragewerte sind vor allem auf die rasche und unbürokratische Corona-Hilfe zurückzuführen. Nach den USA ist das brasilianische Programm das am besten dotierte in ganz Amerika. Die extreme Armut im Land ist seither gesunken.


Auch die EU-Kommission kritisiert Bolsonaros Kurs, erntet aber selbst Kritik an den Zuständen im Amazonasgebiet. „Europa ist mitschuldig an den verheerenden Amazonas-Bränden und liefert den Brennstoff für das Inferno. Damit sind die EU-Staaten für die Zerstörung mitverantwortlich“, prangert Meus an. Rohstoffe, die von den neu gewonnenen Agrarflächen stammen, landen auch auf dem europäischen Markt: 41 Prozent der Rindfleisch-Importe und 39 Prozent der Soja-Importe kamen 2019 aus Brasilien. Greenpeace machte zuletzt auf die Mitverantwortung der EU aufmerksam, indem Aktivisten ein 30-Meter-Transparent auf dem Hauptquartier der Europäischen Kommission in Brüssel entrollten. Darauf war zu lesen „Amazonas-Feuer – Europa schuldig“. Die EU müsse Produkte aus dem Amazonasgebiet boykottieren, um die Regierung Brasiliens zum Umdenken zu bewegen.


Anzeichen für einen Schwenk in der Regenwald-Politik Bolsonaros gab es bisher nicht. Der Präsident war erst vor einigen Tagen in das Pantanal-Gebiet geflogen, um dort der Eröffnung einer neuen Fabrik beizuwohnen. Das Flugzeug des Regierungschefs konnte zunächst allerdings nicht landen – so stark war die Rauchentwicklung durch die Brände. Angesprochen auf den Zwischenfall sagte er nur: „Wir sehen Ausbrüche von Feuern in ganz Brasilien, das passiert seit Jahren.“