Frau Pabortsava, Sie untersuchten als Studienleiterin mit Ihren Kollegen vom "National Oceanography Centre" (NOC) flächendeckend die Belastung des Atlantiks mit Plastik: Wie schlimm ist es wirklich?
KATSIA PABORTSAVA: Seit den 1950er-Jahren sind Produktion von und Verschmutzung durch Kunststoff massiv angestiegen. Seitdem werden auch die Meere damit verschmutzt. Seit den 1970er-Jahren wird Plastikabfall in den Ozeanen untersucht, erst seit 2004 wird auch das Mikroplastik als ernste Gefahr wahrgenommen. Wir beginnen zu verstehen, wie groß diese Bedrohung ist. Allein in oberen Wasserschichten bzw. den ersten 200 Metern sind zwölf bis 21 Millionen Tonnen dieses Mülls.

Was unterscheidet Ihre Studie des NOC von vorhergehenden Untersuchungen der Weltmeere?
PABORTSAVA: Bislang hat es wegen fehlender Mikroplastik-Messungen keine Möglichkeit für Forscher gegeben, die angenommene Menge von in den Ozean gelangten Kunststoff mit jener im Wasser abzugleichen. Unsere Erhebungen sind die ersten, die den gesamten Atlantik von Großbritannien bis zu den Falklandinseln unter die Lupe nahmen.



Wie gefährlich schätzen Sie die Effekte von Mikroplastik auf die Natur und in weiterer Folge auf den menschlichen Körper ein?
PABORTSAVA: Um das beurteilen zu können, braucht es noch mehr Studien: Wichtig ist es zu wissen, wie groß die Partikel sind, wie sie sich im Rahmen der großen Strömungen im Ozean bewegen und ob sich die Mengen, die wir finden, bereits negativ auswirken. Klar ist eines: Der gesundheitliche Einfluss des allgegenwärtigen Mikroplastiks auf Lebewesen wird uns Forscher noch länger beschäftigen.

Studienleiterin Katsia Pabortsava bei der Arbeit
Studienleiterin Katsia Pabortsava bei der Arbeit © NOC



Ist Mikroplastik noch gefährlicher als das mit bloßem Auge im Wasser zu sehende Plastik?
PABORTSAVA: Seevögel und Säugetiere kommen in großer Zahl durch größere Plastikpartikel um. Der Beweis, dass auch Mikroplastik schädlich ist, ist schwieriger zu erbringen. Wir sind hier noch in einem sehr frühen Stadium, um die vollständigen Auswirkungen davon zu verstehen. Das Potenzial, um Schaden anzurichten, ist da. Die Effekte dürften weniger offensichtlich, aber dafür sehr weitreichend sein. Und: Der Schaden, den Mikroplastik in den Meeren langfristig anrichten kann, ist extrem schwierig zu beheben.



Gehen Sie davon aus, dass ähnliche Verschmutzung durch Mikroplastik auch anderswo, etwa im Mittelmeer, in der Ostsee oder im Pazifik, voranschreitet?
PABORTSAVA: Das ist sehr wahrscheinlich – allerdings müssen wir auch in diesen Meeren zuverlässige, direkte Studien durchführen.



Welche Meerestiefen sind am massivsten von Verschmutzung durch Mikroplastik betroffen?
PABORTSAVA: Grundsätzlich nimmt die Verschmutzung durch Polystyrol und Polyethylen mit zunehmender Tiefe – ihrer Masse nach – ab. Polypropylen ist jener Stoff, den wir im Atlantik in den unteren Meeresschichten am häufigsten gefunden haben.

Ihre Prognose für die Zukunft?
PABORTSAVA: Selbst wenn wir jetzt die Lawine von Plastik, die fortlaufend in die Meere strömt, sofort stoppen würden, wären die Auswirkungen davon noch Jahrzehnte zu sehen. Wir verschmutzen seit einem halben Jahrhundert die Ozeane! Die Frage ist, wie lange die mikroskopisch kleinen Partikel brauchen, um sich zu zersetzen, und wie lange es dauert, bis sie sich am Meeresgrund absetzen. Fundamentale Fragen für uns alle, die noch großen Forschungsaufwand nötig machen.