Bei der Beobachtung von zwei Gammastrahlenausbrüchen haben Forscher die energiereichsten Photonen registriert, die bisher bei Ereignissen gemessen wurden, die als die gewaltigsten kosmischen Katastrophen gelten. Die im Fachjournal "Nature" vorgestellten Studienergebnisse, zu denen auch Innsbrucker Wissenschafter beigetragen haben, geben Einblicke in die Prozesse, die solche Ereignisse verursachen.

Explosionen im Universum

Gammastrahlenausbrüche (Gamma-ray bursts, GRB) sind die energiereichsten Explosionen im Universum. Sie entstehen vermutlich bei der Verschmelzung von Neutronensternen bzw. Schwarzen Löchern oder dem Kollaps eines massereichen Sterns. Im Juli 2018 und im Jänner 2019 meldeten zwei auf die Beobachtung von GRB spezialisierte Weltraumteleskope jeweils einen derartigen Ausbruch. Erstmals wurden dabei Gammastrahlenblitze mit Energien von mehr als einem Teraelektronenvolt gemessen.

Photonen mit dieser Energie wurden dabei erstmals auch mit bodengestützten Gammastrahlungsteleskopen nachgewiesen, konkret mit den H.E.S.S.-Teleskopen in Namibia und den MAGIC-Teleskopen auf der Kanareninsel La Palma. Auf der Erde lässt sich die Gammastrahlung nicht direkt sehen. Vielmehr wird das sogenannte Tscherenkow-Licht beobachtet. Dieses entsteht, wenn Gammastrahlen in der Erdatmosphäre auf Luftmoleküle stoßen und dabei unzählige weitere Teilchen und damit diese Leuchteffekte erzeugen. "Bisher hat immer nur das Fermi-Teleskop vom Weltraum aus die höchsten Gammaenergien nachweisen können", erklärte Olaf Reimer vom Institut für Astro-und Teilchenphysik der Universität Innsbruck gegenüber der APA.

Das MAGIC-Teleskop konnte bereits 28 Sekunden nach dem ersten Aufleuchten des GRB im Jänner 2019 Daten sammeln. Bei dem Ausbruch im Juli 2018 dauerte es dagegen zehn Stunden, bis die entsprechende Himmelsregion in das Gesichtsfeld der H.E.S.S.-Teleskope kam. Und obwohl sich die Intensität der Gammablitze innerhalb von Sekunden stark verringert, konnte mit den in Namibia stationierten Instrumenten das Nachglühen des GRB beobachtet werden. Diese Photonen hatten so lange nach dem ersten Aufleuchten immerhin noch Energien von bis zu 440 Gigaelektronenvolt.

Erklärungsmodell gesucht

Die Wissenschafter suchen nun nach einem Modell, das die Emission von Gammastrahlen-Photonen mit extrem hohen Energien sowohl kurz nach dem Ausbruch als auch noch Stunden danach erklären kann. "Bisher konnte man die hochenergetischen Beobachtungen mit Weltraumteleskopen noch durch Synchrotronstrahlung erklären, verursacht durch die Bewegung von Elektronen in magnetischen Feldern", erklärte Paolo Da Vela aus dem Team Reimers an der Uni Innsbruck. "Offenbar muss noch etwas passieren, um zu diesen Höchstenergien kommen zu können - und zwar sofort beim Ausbruch als auch noch Stunden später", sagte Reimer. Ein möglicher Mechanismus, der dies erklären könnte, heißt "inverse Compton-Streuung". Dabei werden Photonen von Elektronen gestreut, was ihre Energie erhöht.