Im Vordergrund steht das Schweigen, da lässt das Protokoll wenig Raum für Missverständnisse. Wenn Kaiser Naruhito am Dienstag seine Inthronisierung feiert, wird er vor dem hochrangigen Publikum aus aller Welt einmal einen Text vorlesen, der seinen Amtsantritt verkündet, ansonsten aber vor allem still bleiben. Die Gäste aus 174 Ländern, darunter alle möglichen Königinnen und Könige, aber auch Vertreter nichtmonarchischer Staaten wie die Bundespräsidenten aus Österreich und Deutschland Frank-Walter Steinmeier und Alexander van der Bellen, werden die Bedeutung des Anlasses vor allem an der Symbolik erkennen müssen. Diener mit Schwertern und Lanzen, bedächtiges Tempo, schlichte Verzierungen, ein 6,5 Meter hoher Thron mit Chrysanthemenmuster.

Höchstrangiges Ereignis des Jahres

Die offizielle Feier zur Inthronisierung des Kaisers ist das vielleicht höchstrangige Ereignis des Jahres in Japan. Ende April trat der altersschwache Kaiser Akihito freiwillig ab und überließ seinem Sohn Naruhito damit einen Tag darauf den Thron. Ein halbes Jahr später lädt der Hof nun die Welt ein, um den Beginn der neuen Ära noch einmal zu feiern. Die 30-minütige Zeremonie, an deren Ende eine kurze Rede von Premierminister Shinzo Abe steht, in der er den eingeweihten Kaiser noch dreimal hochleben lässt, wird in Japan live ins ganze Land übertragen. Jeder soll sehen, wie elegant und schlicht, erhaben und zurückhaltend, zeitlos und zeitgemäß das Kaiserhaus ist.

Alt-Kaiser Akihito und seine Frau Michiko im Jahr 1990
Alt-Kaiser Akihito und seine Frau Michiko im Jahr 1990 © (c) AP (Koji Sasahara)

Allerdings ist dies ein schmaler Grat. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs sollten die Japaner ihren Kaiser noch als göttliches Wesen mit politischen Befugnissen verstehen. Die Nachkriegsverfassung von 1947, die dem ostasiatischen Land von den siegreichen USA aufgedrückt wurde, betrachtet den Kaiser nur noch als Mensch. Zwar bleibt der alte Mythos, laut dem die Kaiserfamilie direkt von der Shinto-Sonnengöttin Amaterasu abstammt, bis heute bestehen. Allerdings ist der Kaiser laut der heutigen Verfassung nicht einmal mehr das Staatsoberhaupt, darf sich auch niemals politisch äußern geschweige denn verhalten. Heute ist er offiziell das "Symbol für das japanische Volk".

Dabei ist nicht jedem klar, was das Kaiserhaus heutzutage symbolisieren soll. Die Mehrheit der Japaner begegnet dem Kaiserhaus mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Schaulust, aber auch Gleichgültigkeit. Anders als in europäischen Monarchien übernimmt der japanische Hof keinerlei Unterhaltungsrolle für das Volk, Papparazzi stürzen sich auf alle möglichen Stars, kaum aber auf den Kaiser und seine Gefolgschaft. So spielen Akihito und seine Verwandten im Alltag der meisten Japaner kaum eine Rolle.

Naruhito und seine Frau Masako
Naruhito und seine Frau Masako © (c) AP (Eugene Hoshiko)

Gesellschaftlich bedeutend ist die Tradition, mit der das Kaiserhaus einhergeht. Schließlich rühmt sich Japan damit, die längste ununterbrochene Erbmonarchie der Welt zu sein. Dabei ist die Rolle des 126. Kaisers ambivalent. Naruhito und seine Frau Masako folgen zwar dem strengen Hofprotokoll mit all seinen Ritualen. Zugleich gelten sie als modernes Paar. Beide haben im Ausland studiert, sprechen Englisch und verkörpern ein relativ modernes Familienbild, laut dem auch der Mann eine Rolle in der Kindererziehung übernimmt. Damit ist das vermeintlich altmodische Paar vermutlich moderner als viele ihrer Landsleute.

So sehen Progressive im Land Akihito und Masako als Hoffnungsträger für die Erneuerung einer Gesellschaft, die technologisch zwar hochmodern ist, familienpolitisch aber kaum. Die Konservative im Land dagegen, die unter anderem im Hofamt und der Regierung dominiert, sorgt sich eher aus patriotischen Gründen um die Popularität der Kaiserfamilie. Ohnehin würden die politischen Zirkel um den Premierminister Shinzo Abe gern die Verfassung umschreiben und in diesem Zuge auch den Kaiser wieder offiziell zum Staatsoberhaupt zu machen. Weil die Mehrheit der Japaner aber keine Verfassungsänderung wünscht, gibt sich die rechtskonservative Regierung diese Tage auch bei der kaiserlichen Zeremonie besondere Mühe.

Das Justizministerium verkündete zuletzt, dass im Zuge der Feierlichkeiten eine halbe Million Kriminelle einen Straferlass erhalten. Kleinere Verbrechen von Verkehrsvergehen bis zu Ladendiebstahl werden aufgehoben. Dies wiederum sorgt für Kontroverse im Land. Der Abgeordnete der linksliberalen Verfassungsdemokratischen Partei Yukihisa Fujita sagte gegenüber Medien: "Wenn die Regierung versucht, die feierliche Stimmung der Menschen im Zuge der kaiserlichen Zeremonie für ihre politischen Motive zu nutzen, dann ist eine Amnestie nicht zu rechtfertigen." Im Parlament wurde zuletzt außerdem diskutiert, ob der Schritt nicht das Prinzip der Gewaltenteilung verletze, da sich die Regierung damit über die Justiz hinwegsetze.

Umstrittenes Thema der Amnestie

Zwar konzentriert sich die Mehrzahl der japanischen Medien auf die Feierlichkeit und den hochrangigen Besuch aus dem Ausland, der an mehreren Orten auch mit kulturellen Veranstaltungen wie Ausstellungseröffnungen einhergeht. Das Thema der Amnestie kann aber nicht ignoriert werden. Der öffentliche Rundfunksender NHK, der die Hofzeremonien immer live überträgt, stellte in einem Bericht am Freitag klar: "Die Regierung wird diejenigen, die schwere Straftaten begangen haben, aus Achtung für die Familien der Opfer nicht begnadigen."

Eine große Sache ist es trotzdem. Die letzte Amnestie gab es vor einem Vierteljahrhundert, als Akihito im Jahr 1993 seine heutige Frau Masako heiratete. Der Schritt war auch damals kontrovers. Nicht zuletzt deshalb, weil die Begnadigung einer Bestätigung durch den Kaiser bedarf. So einen Akt, auch wenn er eigentlich rein administrativer Natur ist, halten viele für zutiefst politisch. Schließlich enden dadurch die rechtskräftigen Strafen für eine halbe Million Straftäter. Würde sich der Kaiser diesem Schritt wiederum verweigern, wäre dies ein ebenso klares politisches Statement. Dabei soll er diese Tage doch eigentlich nur schweigen.