Bei den anhaltenden Unruhen in ganz Chile sind mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Fünf Leichen wurden am Sonntag in einer geplünderten und in Brand gesetzten Kleiderfabrik in Santiago de Chile geborgen, wie die Feuerwehr mitteilte. Am Sonntagmorgen waren in zwei Supermärkten der Hauptstadt zwei Frauen und ein Mann ebenfalls bei Bränden nach Plünderungen umgekommen.

Weitere zwei Tote wurden in der ausgebrannten Halle einer Baumarktkette im Süden Santiagos aufgefunden, teilte Bürgermeisterin Karla Rubilar mit.

Ausgangssperre in mehreren Städten

Am Sonntagabend wurde erneut eine Ausgangssperre in Santiago, Valparaíso, Concepción, Antofagasta und Coquimbo verhängt. In der chilenischen Hauptstadt hielten jedoch nach Beginn der Ausgangssperre die Kundgebungen an.

Die gewaltsamen Proteste waren nach einer Fahrpreiserhöhung der U-Bahn in Santiago ausgebrochen und weiteten sich rasch über das ganze Land aus. Die landesweite Erhöhung der Stromtarife um durchschnittlich 10 Prozent heizte auch den Unmut an. Chiles Präsident Sebastián Piñera rief am Freitagabend den Ausnahmezustand aus. Am Samstagabend machte er die Tariferhöhung der U-Bahn rückgängig.

"Chile erwacht"

Allerdings geht es bei den Protesten, die unter dem Hashtag #ChileDesperto ("Chile erwacht") Zulauf fanden, auch um die Kluft zwischen Arm und Reich in dem südamerikanischen Land. "Chile hat sich als ein Schnellkochtopf erwiesen, der auf die schlimmste Art explodiert ist", sagte die Beamtin Maria.

Rund 9400 Soldaten waren nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Einsatz. Am Sonntag wurden bei gewaltsamen Protesten 17 Polizisten verletzt. Insgesamt wurden während der Protestwelle nach Angaben der Staatsanwaltschaft 1554 Menschen festgenommen. Über 60 Supermärkte wurden in verschiedenen Städten geplündert und mindestens sechs in Brand gesetzt.

Es ist das erste Mal seit dem Ende der Diktatur unter General Augusto Pinochet 1990, dass in der chilenischen Hauptstadt wieder Militär patrouilliert. Die Regierung mobilisierte 9.500 Sicherheitskräfte.

U-Bahnen verwüstet

Seit der Ankündigung der Fahrpreiserhöhung für die U-Bahn wurden 78 der 164 U-Bahn-Stationen in Santiago verwüstet. Nachdem auch 16 Busse in Brand gesetzt und neben dem U-Bahn- auch der Busverkehr ausgesetzt wurde, lag in der Hauptstadt am Sonntag der öffentliche Verkehr nahezu vollkommen still.

Tausende Chilenenzogen zunächst friedlich durch Santiago und andere Städte - auch um ihrem Ärger über wirtschaftliche und soziale Probleme und die große Kluft zwischen Arm und Reich Luft zu machen. Später kam es zu Zusammenstößen unter anderem vor dem Präsidentenpalast in Santiago.

Busverkehr erlahmt, Zeitung angezündet

Nachdem Demonstranten bereits am Freitag zahlreiche U-Bahn-Stationen in der Sieben-Millionen-Einwohner-Metropole verwüstet hatten, zündeten sie am Samstag auch Busse an. Der Busverkehr wurde daraufhin eingestellt. In der Hafenstadt Valparaíso setzten Demonstranten den Sitz der Tageszeitung "El Mercurio" in Brand.

Als Reaktion auf die Proteste machte  Präsident Sebastián Piñera die Tariferhöhung der U-Bahn Santiagos rückgängig. "Ich habe die Stimme meiner Mitbürger gehört", sagte der Präsident am Samstagabend (Ortszeit) bei einer Ansprache. Zuvor hatte er bereits den Ausnahmezustand verhängt. Das Militär verhängte eine Ausgangssperre für die gesamte Stadt.

Es waren die schwersten Krawalle seit Jahren in Chile, das als eines der stabilsten Länder Lateinamerikas gilt. Chile hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Lateinamerika. Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr auf 2,5 Prozent geschätzt, die Inflation liegt bei lediglich zwei Prozent. Angesichts steigender Gesundheits- und Lebenshaltungskosten, niedriger Pensionen und sozialer Ungleichheit ist die Frustration aber groß.