Völlig überraschenderweise ist der Steirer Max Zirngast von einem Gericht in Ankara freigesprochen worden. „Freispruch für alle!!!!“, twitterte der Aktivist und Journalist Mittwochfrüh. Zirngast, der in der Türkei Politikwissenschaft studierte, war am 11. September 2018 wegen Terrorvorwürfen festgenommen worden. Insgesamt dreieinhalb Monate verbrachte er im türkischen Gefängnis. Vergangene Weihnachten war er zwar freigelassen worden, musste aber seinen Pass abgeben und durfte die Türkei nicht verlassen. Der Autor linker Publikationen hatte zuvor Kritik am Regime von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan geübt.

Mangel an Beweisen

Aus Mangel an Beweisen gab es dann den Freispruch. Der Staatsanwalt selbst hatte ihn gefordert. „Das ist völlig unüblich in der Türkei, aber im Moment gibt es offensichtlich aus Regimesicht die Notwendigkeit, im Justizapparat eine Reform durchführen“, sagte Zirngast im Telefoninterview mit der Kleinen Zeitung. Grund sind die veränderten Kräfteverhältnisse nach den letzten Lokalwahlen. Die Erleichterung kann man deutlich in der Stimme des Steirers hören. Tags zuvor hatte der 30-Jährige noch mit einer weiteren Vertagung seines Falles gerechnet. Noch ist das Urteil auch nicht rechtskräftig. Es gibt eine Frist von sieben Tagen, in der Einspruch erhoben werden kann. Zirngast geht aber nicht davon aus, dass dies geschieht: „Die Instanz, die den Einspruch erheben könnte, wäre ja derselbe Staatsanwalt, der auch den Freispruch gefordert hat.“ Theoretisch sei dies natürlich möglich und es sei auch nicht das erste Mal, dass „dieselbe Partei in der Früh den Freispruch fordert, am Abend den Einspruch gegen den Freispruch macht“.

"Es ist ein Witz"

Der Wiener Rechtsanwalt Clemens Lahner, der als Prozessbeobachter in der türkischen Hauptstadt dabei war, betonte: „Wir gehen davon aus, dass sich der Staatsanwalt vorher das Okay geholt hat.“ Aus juristischer Sicht sei die Verhandlung am Mittwoch „ein Moment, wo sichtbar wird, was für eine Farce die türkische Justiz ist“. Schließlich sei das Verfahren im April um sechs Monate vertagt worden. „Jetzt, bei identischem Informationsstand, gibt es einen Freispruch. Es ist ein Witz“, sagt Lahner.

Zirngast ist sich sicher: „Die Medien wie auch die österreichischen Behörden haben auf jeden Fall dazu beigetragen, dass das Ganze schneller gegangen ist.“ Weltweit hatte es im Vorfeld Solidaritätsbekundungen für den Steirer sowie Druck von offiziellen Stellen gegeben. Lahner betonte indes, dass über die Gründe für die Entscheidung nur spekuliert werden könne. Möglicherweise habe „die stille Diplomatie etwas bewirkt“ oder es gebe einen Zusammenhang mit der für das Regime von Erdogan schwierigen innenpolitischen Situation.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen begrüßte die „gute Entscheidung“ ebenso wie Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Außenminister Alexander Schallenberg. Für Max Zirngast werden die kommenden Tage indes geschäftig sein. „Ich werde juristische und persönliche Dinge klären, zum Beispiel meinen Status, damit ich eventuell wieder in die Türkei zurückkann.“ Dann geht es aber zunächst einmal zurück nach Österreich. Die erste Zeit will er bei seinen Eltern in der Steiermark verbringen.

Freispruch nicht überbewerten

In einem ORF-ZiB 2-Interview erklärte Zirngast zudem: "Wegen mir ist nicht die Demokratie in die Türkei gekommen". Es handle sich "für die Türkei auch nicht um ein wichtiges Urteil".

Auf die Frage, ob er sich von der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung mehr Unterstützung erwartet hätte, antwortete Zirngast ausweichend. Die österreichischen Behörden in der Türkei ("Konsulat und Botschaft") hätten sich stets mit ihm "verständigt" und für ihn "eingesetzt", erklärte er. "Darüber hinaus, weiß ich nicht, was passiert ist."