Neue schwere Regenfälle könnten das Risiko eines Dammbruchs in Nordengland erhöhen. Einsatzkräften war es zwar gelungen, bis Sonntagnachmittag ein Drittel des Wassers in dem beschädigten Toddbrook Reservoir abzupumpen. Doch sagten Meteorologen starke Niederschläge voraus, die alle Bemühungen zunichte machen könnten. Experten rechneten mit einer immensen Zerstörung, sollte der Damm brechen.

Mehr als 1.500 Einwohner des Städtchens Whaley Bridge südöstlich von Manchester waren in den vergangenen Tagen in Sicherheit gebracht worden. Weitere 55 Häuser mussten angesichts der schlechten Wetterprognose noch am Samstagabend evakuiert werden. Alle Betroffenen durften zunächst für kurze Zeit Haustiere, Medikamente und andere persönliche Gegenstände aus den Gebäuden holen. Am Sonntag wurde aber auch dies angesichts der Lebensgefahr verboten.

Einsatzkräfte versuchten verzweifelt, die Struktur des beschädigten Bauwerks aus dem 19. Jahrhundert zu stützen und den Wasserstand weiter zu senken. "Die Ingenieure sind sehr beunruhigt", sagte Feuerwehrchef Terry McDermott. In der Grafschaft Derbyshire hatte es in den Tagen zuvor ungewöhnlich stark geregnet. Binnen 48 Stunden gab es so viel Niederschlag wie sonst in eineinhalb Monaten-

Premierminister Boris Johnson versuchte, den Einwohnern Mut zu machen. "Notfallhelfer, Ingenieure und Angehörige der Royal Air Force arbeiten rund um die Uhr, um den Damm zu reparieren", sagte er bei seinem Besuch. In der Kleinstadt herrschte dennoch Beunruhigung: "Sollte der Damm brechen, wäre wahrscheinlich der ganze Ort weg", sagte ein Mann der Zeitung "Derbyshire Telegraph". Wie viele der rund 6.500 Einwohner hatten er und seine Frau ihr Haus verlassen müssen - die Behörden hatten unmissverständlich gewarnt, dass Lebensgefahr bestehe.

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Feuerwehren setzten Hochleistungspumpen ein, um den Pegel im Reservoir zu senken. Nach Johnsons Worten müsse der Pegel um acht Meter reduziert werden. "Da haben sie (die Helfer) noch Einiges vor sich." Der Premier wies die Bevölkerung an, die Warnungen und Anweisungen der Behörden zu befolgen. Denn sollte der Damm brechen, sei immense Zerstörung zu erwarten.

Wieder Regen am Sonntag

Die bangen Blicke in der Kleinstadt südöstlich von Manchester richten sich aber nicht nur auf den beschädigten Damm, sondern auch auf den Himmel: Meteorologen kündigten für Sonntag neuen Regen an - und somit ein mögliches Ansteigen der Wassermassen. "Die Ingenieure sind weiterhin sehr beunruhigt", sagte Feuerwehrchef Terry McDermott.

Zur Hilfe kam den Einsatzkräften die Royal Air Force: Ein "Chinook"-Lasten-Hubschrauber warf große Säcke mit einer Mischung aus Sand, Kies und Schotter ab, um die Mauer des Reservoirs zu stabilisieren und an anderer Stelle Wasserläufe umzuleiten.

"Ich lebe hier schon seit 45 Jahren, aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Dass wir so in Gefahr geraten könnten, habe ich auch nicht gedacht", sagte eine Frau der Nachrichtenagentur PA.

Viel mehr als warten und zu hoffen, blieb den Einwohnern nach der angeordneten Evakuierung allerdings nicht. Die meisten von ihnen seien in Notunterkünften oder bei Verwandten und Freunden untergekommen, hieß es. Wegen der Gefahrenlage wurden in der Umgebung auch mehrere Straßen sowie Bahnstrecken gesperrt.

"Wir können ihnen derzeit nicht sagen, wann sie in ihre Häuser zurück können", räumte die stellvertretende Polizeichefin der Region, Rachel Swann, ein. Teile des Ortes seien "wie eine Geisterstadt", berichtete ein Einheimischer der BBC: "Das ist hier ziemlich verlassen."